From: Martin Weissenboeck[SMTP:mweissen@ccc.at] Sent: Samstag, 22. März 1997 08:44 To: agtk@ccc.or.at; agtk@ccc.or.at Subject: AGTK 97076: Hausdurchsuchung bei ISP AGT97076: Hausdurchsuchung bei ISP. 22.03.97 Von Martin J. Laubach : Im Zuge einer vertraglichen Vereinbarung habe ich einen privaten Rechner beim Internet-Provider VIP stehen. Besser, ich hatte stehen. Bis gestern vormittag. Gestern, Donnerstag, um 10:45, erschienen neun Beamte der Kriminal- polizei in den Raeumen der VIP. Dabei hatten sie einen Durchsuchungs- befehl, in dem es hiess, dass aufgrund einer Anzeige gegen Unbekannt(!) wegen Verbreitung von Kinderpornographie "Computer-Festplatten und der Beweissicherung dienende Ausstattung" zu beschlagnahmen waeren. Anscheinend hat am 10.3.1996 (kein Tippfehler) ein Kunde der VIP gegen Paragraph 204a StGB verstossendes Material ins Internet ein- gespeist. Wie (Mail, News, oder sonst irgendwie), darueber schweigt sich das Dokument aus. Die Staatsanwaltschaft Muenchen hat daraufhin Oesterreich um Rechtshilfe ersucht... ...mit dem Ergebnis, dass die Raeumlichkeiten der Firma, die Privat- quartiere der Eigentuemer und der Rest des Hauses durchsucht wurden. Alles, das eine Festplatte enthielt, wurde beschlagnahmt. Egal, ob es sich um Privatrechner der Mitarbeiter, den Firmenrechner mit der gesamten Buchhaltung (der noch nicht einmal im Netz hing), oder eben um das Eigentum unbeteiligter Dritter (ich und noch zwei "Glueckliche") handelte. [1] Die Beamten wurden darauf aufmerksam gemacht, dass es sich nicht um Eigentum der VIP handelte. Ohne Erfolg. Sie wurden auch darauf auf- merksam gemacht, dass "Stecker ziehen" nicht die Methode ist, einen Rechner ordnungsgemaess niederzufahren. Ohne Erfolg. Ihnen wurde angeboten, die Daten in weniger geschaeftsschaedigender Form zu erhalten, etwa ein Backup auf Band. Ohne Erfolg. Summa summarum -- saemtliche Maschinen sind fort. Noch schlimmer, saemtliche Daten sind fort. Sogar Sicherheitskopien auf Band wurden mitgenommen. Ich habe den Grossteil der Nacht damit verbracht, einen rudimentaeren Notbetrieb auf die Beine zu stellen mitzuhelfen. Und ich kann nur jedem empfehlen: Macht Backups. Aber nicht lokal, denn die werden dann ja auch mitgenommen. [2] Man koennte fast glauben, jemand versucht fuer das neue Medien- gesetzt etwas Stimmung zu machen. Aber wer wuerde so weit gehen, und der verantwortlichen Richterin, Dr. Helene Partik-Pable' irgendwelche Verbindungen zur oesterreichischen Parteienlandschaft nachzusagen...? Es haette jeden Provider treffen koennen. Wahrscheinlich sind auch Universitaeten nicht immun gegen diese Art der Rundumschlag- gerichtsbarkeit. Mir macht die Sache jedenfalls Angst. Die allgemeine Kinderpornohysterie in Verbindung mit dem Internet auszunutzen, und die schiere Existenz Dritter (wohlgemerkt, VIP ist nicht angeklagt, sondern das Material wird "nur" zur Beweissicherung fuer eine Klage gegen Unbekannt gesichtet) durch die Beschlagnahme der gesamten Computerausstattung zu riskieren, ist nicht nur grob fahrlaessig, sondern skrupellos. Fuer weitere Informationen stehe ich, oder Peter Wlcek, Mitinhaber der VIP (Telephon 257-33-17, unter seiner Email-Adresse ist er momentan nicht ganz leicht zu erreichen :^), gerne zur Verfuegung. Martin Laubach ----- [1] Wer nun wirklich glaubt, nach einem Jahr auch nur eine Spur einer versandten Mail oder eines Newspostings zu finden, der ist nicht nur inkompetent, sondern ignorant. Im Zweifelsfall fuer den Angeklagten. Denn die andere Alternative -- dass sie wissen, was sie tun -- gefaellt mir noch viel weniger. [2] Und weil wir schon dabei sind, verschluesselt die Daten (ich jedenfalls werde irgendwie pgp in die Backup-pipeline einbauen). Wenn schon jemand an meine Daten will, ohne mich zu fragen, dann sollen sie sich auch anstrengen dafuer. ------- This message was distributed via the Listserver of the CCC (Computer Communications Club) - (e-mail 'ccc@ccc.or.at' for info's). To unsubscribe from the list send a message to listserv@ccc.or.at with the following command in the message body: 'unsubscribe agtk' .