AGT97101: Von Politikern und Presse (1/3). 23.04.97 In der Zeitschrift "Wiener Computer Magazin", Heft 67, April 1997 findet sich eine interessante Analays der Vorgaenge rund um die bekannte Beschlagnahme der ViP-Hardware. Mit freundlicher Genehmigung von Herrn Guido Fritdum (Chefredakteur WCM) gibt es diesen Beitrag in drei Teilen als AGTK-Aussendung: ----------------------------------------------------------- Von Politikern und Presse... ---------------------------- Die erste Aufregung hat sich zwar gelegt, die Diskussion ueber die Beschlagnahmung saemtlicher Geraetschaften des Internetproviders ViP geht jedoch weiter. Und das ist gut so. Denn die Aktion war nicht nur - um es ganz vorsichtig auszudruecken - aeusserst bedenklich, hat nicht nur vielfachen Schaden angerichtet, OEsterreich wieder einmal weltweit negative Schlagzeilen gebracht, sondern hat auch ganz deutlich gezeigt, wie wenig Ahnung oeffentliche Stellen, Gerichte und Politiker von der Materie haben. Von der Materie, die in den letzten Jahren begonnen hat, die gesamte Welt drastisch zu veraendern, vom Internet also, das in den naechsten Jahren und Jahrzehnten das Leben der Menschen auf diesem Planeten auch weiterhin gewaltig aendern wird. Die Politik meldet sich zu Wort,... ----------------------------------- Mit der Intention, dies nicht zu offensichtlich zu zeigen, haben sich auch unmittelbar nachdem die Affaire die Medien zu interessieren begann, Politiker aller Couleurs blitzartig zu Wort gemeldet - und sowohl ihre, zum Teil dramatische Unwissenheit vor aller OEffentlichkeit zur Schau gestellt, als auch gezeigt, dass es fuer Parteien und Politiker hoehere Prioritaet zu haben scheint in einem Zeitungsartikel genannt zu werden, denn einen aussagekraeftigen, durchdachten Vorschlag oder Kommentar abzugeben. Da kam zuerst Heide Schmidts Liberales Forum und veroeffentlichte - im Internet, versteht sich, denn man moechte ja zeigen, dass man weis wie es geht, in ist, dabei und modern ist - ein sieben Punkte umfassende "Modell fuer den Umgang mit Rechtsbruechen im Internet". Eine Reihe gutgemeinter Punkte wurden da aufgelistet, die nur einen kleinen Fehler aufwiesen - nicht zu Ende gedacht zu sein. ...bietet untaugliche Mittel,... -------------------------------- Denn da steht doch gleich als erster Punkt: Service Provider stellen die Identitaet der Zugriffsberechtigten bei Erteilung der Zugriffsberechtigung zweifelsfrei fest. Als Voraussetzung dafuer koennen die Provider verpflichtet werden, Vertraege mit ihren Kunden abzuschliessen, in denen die Identitaet der Zugriffsberechtigten festgestellt wird. Die Leute beim "Forum", scheinen wirklich zu glauben, dass ein Provider den Zugang ohne Vertrag mit dem Kunden hergibt. Ohne einen Abbuchungsauftrag oder die Kreditkartennummer des Kunden zu haben, ohne zu wissen, wo die Rechnung fuer die geleisteten Dienste hingeschickt werden soll. Schwachsinn! Solche Vertraege gibt es, die muss man nicht fordern. Einzig die "zweifelsfreie Feststellung der Identitaet" ist derzeit nicht zu 100 Prozent gegeben. Denn solange die Rechnung nicht mit dem Vermerk "Empfaenger unbekannt" zurueckkommt und auch noch bezahlt wird, kann der Provider nicht feststellen, ob es wirklich der Herr Meier ist, der den Internetzugang nutzt oder ein Herr XYZ, der in seinem Hausbriefkasten den Vermerk "auch die Post fuer Herrn Meier" angebracht hat. Doch sollte dies nicht reichen? Wenn man einen Missbrauch des Internets wirklich bis zum Anschluss des Users verfolgen kann, dann sollte doch die Polizei ausreichen um die wahre Identitaet festzustellen. Oder? Denn die einzige Alternative waere, dass der Anwender, der einen Internet-Account anmelden will, sich mit Personalausweis beim Provider einzufinden hat. Meines Wissens ist die Ausweispflicht beim Kauf einer Ware in OEsterreich auf Waffen und rezeptpflichtige Gifte beschraenkt. Sieht denn das Forum das Internet als Waffe oder Gift an? Das ist es nicht! Zumindest noch nicht. Wenn es auch eines Tages zur Waffe des Volkes gegen unfaehige oder diktatorische Politiker werden koennte. Danach fordert das liberale Forum noch, dass die Provider verpflichtet werden, "technischen Voraussetzungen fuer die Absicherung der Zugriffskontrollen" zu treffen. Was immer das heissen und was immer damit gemeint sein mag, es zeigt, dass man auch beim LIF nicht ganz so "am Damm" ist mit diesem Internet. Oder will man gar, dass jedes File dem Accountinhaber zugeordnet und gespeichert wird? Das waere erstens unleistbar, zweitens Bespitzelung total. Und es beduerfte obendrein einer vorangehenden UEberpruefung des Providers auf Zuverlaessigkeit, wuerde somit das Gewerbe zumindest einmal konzessionspflichtig machen. All dies wollen OEsterreichs Liberale! Oder aber, sie haben ihre eigenen Vorschlaege eben nicht durchdacht. Auch schlimm. Dabei war es das LIF, dass dem Provider ViP als erstes Beistand und Hilfe anbot... ...gar keine Loesungen... ------------------------- Die Gruenen waren kaum besser. Ab in die Zeitung hiess das Motto. Und um auf die Wichtigkeit der Angelegenheit hinzuweisen, verlangte man gleich eine parlamentarische Enquete. Toll, nicht? Die Schwarzen spalteten sich in Maennchen ("haben Verstaendnis fuer die Probleme der Provider") und Weibchen ("Kinderpornographie ist eine Schweinerei und gehoert verfolgt" - Thema verfehlt, Nichtgenuegend, setzen) und zeigten wieder einmal ihr redliches Bemuehen, es allen recht zu tun, nirgends anzuecken um nicht noch die letzten Waehler zu verkraulen. Ansonsten blieben sie farblos und zeigten kaum Ahnung von der Materie. Haiders FPOE war wieder einmal dagegen und lehnte - so verlautbarte Generalsekretaer Peter Westenthaler - eine Lex-Internet (die niemand gefordert hat und die auch nicht zur Diskussion stand und bislang auch noch nicht steht) rundweg ab. War dies der Startschuss zur Bekaempfung des neuen Telekommunikationsgesetzes um das die Koalition gerade ringt? Konstruktive Vorschlaege kamen jendenfalls auch aus dieser Ecke nicht. ...und leere Versprechen an --------------------------- Und die SPOE liess ueber Staatssekrtaer Peter Kostelka wissen, sie "bereitet einen Gesetzesantrag mit dem Ziel, die Verbreitung strafrechtlich relevanter Inhalte via Internet zu unter- binden, vor" und weiter "Das geplante Gesetz solle im Falle des Anbietens strafrechtlich relevanter Inhalte behoerdliche Massnahmen ermoeglichen." Wow! Nicht nur, dass keinerlei brauchbare Vorschlaege kamen, es kam auch zu keinerlei Stellungnahmen, zum gegenstaendlichen Fall und zum zweifelhaften Vorgehen gegen den betroffenen Provider. Die Affaire hat auch gezeigt - und das ist mindestens ebenso bedenklich - wie lenkbar die Berichterstattung in OEsterreich ist. Wie ahnungslos, unbedacht, ignorant und verantwortungslos das Gros der Medien agiert. Ein passendes Reizwort und schon kann sich die oeffentliche Hand sicher sein, dass die Berichterstattung in die gewuenschte Richtung laeuft, die Masse der Bevoelkerung desinformiert wird. (Wird fortgesetzt...) MfG Martin Weissenboeck --- E-Mail: mweissen@ccc.at Tel: +43-1-369 88 58-0 Gatterburggasse 7, A-1190 Wien Fax: +43-1-369 88 59-7 ------- This message was distributed via the Listserver of the CCC (Computer Communications Club) - (e-mail 'ccc@ccc.or.at' for info's). 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