AGT97105: Verantwortung bei der Internet-Nutzung. 29.04.97 Von Michael DOBES : Die Einladung zur Diskussion ueber die gesicherte oder freie Nutzung des INTERNETs hat mich wieder ein bisschen aus der selbstgewaehlten Lethargie in dieser Arbeitsgruppe geholt. Gleich vorweg: Die Beitraege der AGTK sind nach wie vor eine Anregung in dem vielfachen Alltagsstuss, der auf einen einstuermt. Da wir seit den paar Monaten unseres INTERNET-Zugangs auch schon ueber diese Frage diskutiert haben hier ein paar Eindruecke aus den persoenlichen Aueinandersetzungen mit Schuelern und Eltern: ***** Das INTERNET als OFFENES und FREIES MEDIUM ******* ***FREIER ZUGANG FUER ALLE*** Der Politik folgend, dass jede Beschraenkung eines Mediums auch dessen Kreativitaet einschraenkt, fordern viele die absolute Freiheit dieses anarchischen weil unkontrollierbaren Mediums und verwahren sich gegen jeden Versuch zur Zensurierung - haben nicht schon viele diese Diskussion irgendwo gefuehrt ? Wenn das INTERNET die erste wahre Form der voellig freien Demokratie ist, dann muessten wir bei dem vielen Mist und den vielen herrlichen Ansaetzen, die es bietet, zugleich jubeln und weinen. Einerseits erlauben wir mit dem INTERNET den fast unbeschraenkten Zugang zu Information jeder Art und andererseits rufen manche Eltern und Institutionen nach Beschraenkungen der Inhalte und eine Auswahl um Schund zu vermeiden. Wir haben seit Jahren an unserer Schule einen offenen Informatik-Raum, zugegeben nicht gerade im hintersten Winkel des obersten Stockes, sondern eher zentral gelegen. Natuerlich birgt diese Einstellung die Gefahr, dass Sachen verschwinden, Dinge kaputt gehen etc. Allein die Verluste, die wir bis jetzt registrieren mussten, sind minimal. Ich bin davon ueberzeugt, dass Schueler, die den Informatikraum in ihrer Freizeit verwendet haben, schon einmal die oeffentlichen Maschinen zum Spielen benutzt haben und das Internet auch hin und wieder nach "nicht unterrichtlichen" Inhalten abgesucht haben. Einer der offensichtlich beliebtesten Treffpunkte unserer Schueler im Cyberspace sind IRC-Chats, wo es um zwischenmenschliche Beziehungen geht. So und sooft treffe ich auch Gruppen an, die sich fuer Basketball-Ergebnisse oder die Seiten der Phantasyspiele interessieren. Das sind alles nicht gerade Themen die unmittelbar mit dem zutun haben, was in unserer Schule unterricht wird. Wenn wir jedoch die Schule lediglich auf einen Ort reduzieren, wo ausschliesslich passiert, was sich mit einem Lehrplan und der Aufgabe der Schule unmittelbar erklaeren laesst, so werden wir die Schueler sicher dazu bewegen, sehr schnell nach dem Unterricht die Schule zu verlassen und moeglichst keine freie Minute in der "ernsthaften" Schule zu verbringen. Umgekehrt hat die Oeffnung des Internetzugangs aber auch bewirkt, dass Schueler mehr Interaktion auch in fachlichen Gebieten miteinander haben. Ich verbuche es als einen Erfolg des freien INTERNET-Zuganges an, wenn die Schueler sich gegenseitig unterrichten und einander beibringen, wie man im Internet etwas sucht. ***INTERNET als INSTRUMENT zur ANGLEICHUNG der Ausgangslage*** Ich sehe den offenen INTERNET-Zugang als einen wesentlichen Bestandteil der Gleichberechtigung aller in der Schulgemeinschaft. Schulbuecher, Schulbesuch und auch die Schuelerfreifahrt sind selbstverstandliche Errungenschaften unseres Sozialstaates. Es darf daher auch nicht von der Finanzkraft oder der sozialen Stellung oder der Bildung der Eltern ankommen, ob ein Schueler das INTERNET als Informationsmedium nutzen kann oder nicht. Ich sehe, extrem formuliert, die freie Zugaenglichkeit zum INTERNET als ebenso essentiell an, wie heizen oder Tafelkreide. Dass im Gebrauch dieses Mediums vor allem auch bei Lehrern noch ein Genrationswechsel stattfinden muss ist uebrall zu beobachten. Wir stehen am Anfang der Nutzung einer neuen Technologie. Wie jede rasante Aenderung der Produktion (siehe Dampfmaschine, Elektrizitaet, Erdoel etc.) gibt es auch heute wieder Rufer, die dadurch den Untergang des Abendlandes und der Moral und eine Gefaehrdung der physischen und psychischen Gesundheit der Benutzer sehen. Lassen wir in Zukunft vielleicht nur mehr stumpfe Bleistifte bei den Schuelern zu und reduzieren den Turnunterricht um die Verletzungsgefahr zu senken ? ***INTERNET wird ALLTAG werden*** Schlussendlich wird sich das Mass der Nutzung und der Umgang mit dem INTERNET ebenso selbstverstaendlich einspielen, wie nicht in jeder Stunde, die an einer Schule gehalten wird der Overheadprojektor in Betrieb genommen wird. Anstatt eine Diskussion darueber zu fuehren wie wir Schueler vor "schlechten" Inhalten des INTERNETS schuetzen koennen, sollten wir viel lieber alle Energie, die noch irgendwie uebgrig ist, darin investieren die Inhalte des Internets selbst mitzugestalten und dafuer Sorge zu tragen, dass es immer leichter wird schulrelevante Information zu finden und dass diese auch produziert werden. So wie wir bei Gangaufsichten sensibel dafuer sein muessen, eine Verschaerfung der Gewalt unter Schuelern hintanzuhalten, so werden wir auch behutsam eingreifen muessen, wenn wir Fehlentwicklungen im Gebrauch des INTERNETS in unseren Schulen feststellen. So wie wir aber das Verhalten unserer Schueler nachhaltig besser durch ein Verstaendnis als durch Druck erreichen, bin ich gegen jede Beschraenkung des INTERNET-Zugangs an den Schulen und vertraue darauf, dass Gespraeche und Erklaerungen unsere Schueler zu verantwortungsvollen und moralisch gefestigten eigenstaendigen Personen in allen Gebieten, sei es im INTERENET oder sonstwo im alltaeglichen Leben werden lassen und nicht nur zu unkontrollierten USERN. Mag. Michael DOBES (Informatikkustos) Bundesgymnasium Wien 8 Piaristengymnasium Jodok-Fink-Platz 2 1082 WIEN 405 65 99 408 74 75 (FAX) m.dobes@magnet.at ************ P.S.: Zwei Ausgaben der Zeitung TELL&CALL (Zeitschrift fuer Technologieunterstuetzten Unterricht des Vereines CALL AUSTRIA) befinden sich bereits auf unserem WWW-Server unter der Adresse: http://www.bg8.asn-wien.ac.at/material/tellcall/ueberbl.htm Das Angebot soll um die weiteren Augaben der Zeitung laufend erweitert werden. Auch ein "best of" der letzten Jahre und eine Volltextsuche (HILFE erbeten !) in allen Artikeln soll installiert werden. mhG Michael DOBES ------- This message was distributed via the Listserver of the CCC (Computer Communications Club) - (e-mail 'ccc@ccc.or.at' for info's). To unsubscribe from the list send a message to listserv@ccc.or.at with the following command in the message body: 'unsubscribe agtk' .