AGTK 97143: Anklage wegen unerlaubtem(?) Link. 08.06.97 Nicht nur unsere Justiz hat Probleme mit dem Verstaendnis der Funktion des Internet. Auch in Deutschland gibt es bemerkenswerte Verfahren: Berlin (dpa) - Der Prozess gegen die fruehere stellvertretende Vorsitzende der deutschen Reformkommunisten, Angela Marquardt, um die Verbreitung von linksextremistischen Artikeln im Internet ist vertagt worden. Das erste Verfahren in Deutschland um Querverweise im Internet, sogenannte "Links", soll jetzt am 30. Juni neu beginnen, entschied das Amtsgericht Berlin-Tiergarten am Freitag. Das Gericht war nach knapp einstuendiger Verhandlung dem Antrag der Verteidigung gefolgt, erst noch mehrere Zeugen zu laden. Die Staatsanwaltschaft wirft der 25 Jahre alten Politikern der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) vor, mit Hilfe eines "Link" auf ihrer Seite in dem globalen Computernetzwerk die Verbreitung von Artikeln der Zeitschrift "radikal" zugelassen zu haben. In diesen Artikeln sei zu Anschlaegen gegen die Eisenbahn aufgerufen worden. Der juristische Vorwurf lautet auf Beihilfe zur Anleitung zu Straftaten. Der deutsche Inlandsgeheimdienst, Verfassungsschutz, stuft "radikal" als linksextremistisches Untergrundblatt ein. Der Internet-Service "World Wide Web" ist durch die "Links" rund um den Globus vernetzt. Mit einem Maus-Klick auf den elektronischen Verweis gelangt man automatisch zu dem Ziel des Querverweises. Marquardt wies den Vorwurf zurueck, dass sie sich strafbar gemacht habe. Die Artikel der "radikal" seien nicht Bestandteil ihrer Seite, sondern auf einem Computer in den Niederlanden abgelegt gewesen. "Ich vertrete die prinzipielle Auffassung, dass ich zivilrechtlich und strafrechtlich fuer den Inhalt meiner Homepage hafte, nicht aber fuer den Inhalt von Homepages, auf die ich per Link verweise", sagte sie im Gericht. Weiter erklaerte Marquardt, sie distanziere sich von Gewalt, lehne aber Zensur ab. Die Anklage sei in mehreren Punkten falsch: Der Querverweis auf ihrer Homepage zu dem Computer in den Niederlanden sei bereits vor der Veroeffentlichung der beiden Artikel gelegt worden. Zudem habe sie sie den Inhalt nicht gekannt. Der ermittelnde Staatsanwalt Michael von Hagen sagte dpa, es gebe in Deutschland noch mehrere Ermittlungsverfahren wegen solcher Querverweise, darunter auch wegen Propaganda von Neo-Nazis. Der Prozess in Berlin ist seines Wissens ein Pilotfall. "Es geht um die reine Rechtsfrage." Den Vorwurf der PDS, die Staatsanwaltschaft wolle Marquardt den Mund verbieten und habe die Anklage nur wegen ihrer politischen Haltung erhoben, wies er als absurd zurück. Der Rechtsanwalt von Marquardt, Volker Ratzmann, verlangte die Anhoerung von mehreren Zeugen. So sollen unter anderem Beamte des zentralen deutschen Kriminalamtes, des Bundeskriminalamtes, aussagen. Ausserdem soll ein Experte des Chaos Computer Clubs gehoert werden, der ueber die Struktur des Internets berichten soll. dpa MfG Martin Weissenboeck --- E-Mail: mweissen@ccc.at Tel: +43-1-369 88 58-0 Gatterburggasse 7, A-1190 Wien Fax: +43-1-369 88 59-7 ------- This message was distributed via the Listserver of the CCC (Computer Communications Club) - (e-mail 'ccc@ccc.or.at' for info's). To unsubscribe from the list send a message to listserv@ccc.or.at with the following command in the message body: 'unsubscribe agtk' .