Lieber Timo

Um vielleicht im Sinne von Walther Schütz eine Diskussion anzuregen, stelle ich mal einen mir interessant erscheinende entwicklungspolitischen Beitrag ins Forum, weil dieses Thema wirklich uns alle auch was angeht. Mal sehen, ob sich daraus auch eine sommerliche Diskussion entwickelt.
(Hervorhebungen von mir) / kam formatiert nicht über den Verteiler,
in NUR TEXT sind die Hervorhebungen nun verloren.

mfG
Günter Wittek

Mehr dazu auch unter: http://www.bmaa.gv.at/eza/index.html.de
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Zwei Krügerl Bier und ein Sackerl Chips
Europäische Nicht-Regierungsorganisationen sprechen sich für einen neuen Lomé-Vertrag aus, drängen aber auf die beidseitige Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen. Der einstige »Good fellow«, der gute Kumpel der siebziger Jahre, bunkert sich immer mehr in der Festung Europa ein - sehr zum Leidwesen der Entwicklungsgesellschaften, besonders der ärmsten. Sie haben in der europäischen Integration einen starken und - mehr noch - einen echten Partner gesucht. Während der letzten Jahre ist Europa jedoch voll auf die ökonomische Globalisierung abgefahren. von Federico Nier-Fischer Europa ist egozentrisch, heute mehr denn je. Es hat die ganze Aufmerksamkeit auf sich selbst und auf die entstehenden Wirtschaftsblöcke in Asien, Nord- und Südamerika und Osteuropa gerichtet. Aus der Sicht des Südens ist Europa sukzessive immer stärker zu einem traditionellen Hilfegeber geworden, zu einem, der mit der linken Hand gibt und mit beiden Händen nimmt... Dabei fing Anfang der siebziger Jahre alles so vielversprechend an. Im Rahmen des Lomé-Abkommens sollten vorbildhafte partnerschaftliche und mehrgleisige Beziehungen der Zusammenarbeit zwischen Nord und Süd entwickelt werden, um im beidseitigen Interesse Entwicklungshindernisse abzubauen. Im vergangenen September hat der österreichische Nationalökonom Kunibert Raffer bei einem internationalen Kongress in einem bemerkenswerten Beitrag aufgezeigt, wie sich Europa in den letzten 27 Jahren Stück für Stück seinen Verpflichtungen entzogen hat. Die Analyse konnte der Europäischen Union den Vorwurf nicht ersparen, sie verwende praktisch ihre eigene Untergrabungsarbeit an der Partnerschaft, um im nachhinein deren Einstellung zu fordern.

Die Verantwortlichen in Brüssel selbst weisen darauf hin, dass sich die Zeiten nun mal verändert hätten, denn heute stünden die Herausforderungen der Entwicklungszusammenarbeit in einem anderen internationalen Kontext. Fragt man nach, was sich so entscheidend aus der Sicht Europas verändert hätte, dann bekommt man den Eindruck, dass nur Europas Angst vor dem sogenannten »schwarzen Mann« nachgelassen habe. Im Grünpapier der EU-Kommission zu den anstehenden Neuverhandlungen von Lomé wird nämlich darauf hingewiesen, dass Lomé I unter dem Eindruck des OPEC-Ölpreis-Schocks und der Angst vor dem Aufkommen weiterer Dritte-Welt-Rohstoff-Mächte abgeschlossen worden sei. Inzwischen ist die Kontrolle über die Rohstoffmärkte eindeutig wieder bei den Multis und den Börsen. Das Faktum sinkender Rohstoffpreise ist zwar ein Elixier für die industrialisierte Welt, dieser Zustand hat aber fatale Auswirkungen auf die ärmsten Länder, die von Exporterlösen einzelner Rohstoffe abhängig sind. Die afrikanischen Länder südlich der Sahara, die das Gros der Lomé-Partner ausmachen, sind trotz vorübergehender Preissteigerungen bei den Rohstoffen Kaffee und Kakao seit Ende der achtziger Jahre von einer dramatischen Verschlechterung der Austauschverhältnisse betroffen. Der Wert ihrer Exporte gegenüber den zumeist verarbeiteten Importgütern hat sich halbiert. Die 48 ärmsten Länder der Welt (bis auf sieben sind es AKP-Staaten) haben am Welthandel zwar nur einen Anteil von einem halben Prozent, sie sind aber sozusagen »Nettozahler«. Während der Gesamtwert ihrer Exporte nur neun Prozent des Bruttosozialproduktes ausmacht, geben sie immerhin 16 Prozent für Importe aus.

Lobenswerte Einrichtungen des Lomé-Abkommens wie der STABEX-Fonds wurden im Laufe der Jahre finanziell ausgehungert. Auch andere Lomé-Einrichtungen, die den Entwicklungsländern Einkommen durch Handel sichern sollten, konnten sich kaum entwickeln, weil sie in Konflikt mit dem subventionsgestützten Agrarsystem der EU standen. Interessante Märkte wie jene für Reis, Zucker, Fleisch hält die EU hermetisch geschlossen, um ihre Agrarkonzerne zu schützen. In den letzten Jahren hat die Europäische Union auch keine sichtbaren Anstrengungen unternommen, um die im Lomé-Abkommen vorgesehenen einseitigen Präferenzsysteme bei den Verhandlungen zur Schaffung der neuen Welthandelsorganisation (WTO) durchzusetzen. Erst kürzlich hat die WTO in einem aufsehenerregenden Prozess das EU-Bananen-Protokoll, welches den Import von Bananen aus den AKP-Ländern einseitig bevorzugte, untersagt. Alle Anzeichen stehen nun auf »zurück zum Markt«, der im Falle von Bananen praktisch vollständig von lediglich drei Multis kontrolliert wird. Ein AKP-Vertreter aus der Karibik soll, nach Presseberichten, erbost die Frage gestellt haben, ob Europa lieber Bananen oder Drogen aus der Region beziehen will. Letztendlich kann man die Unzufriedenheit bei den Partnern der EU verstehen, wenn man berücksichtigt, dass es überhaupt nur für sieben Prozent der AKP-Exporte gelungen ist, nennenswerte EU-Präferenzen eingeräumt zu bekommen.

Die AKP-Länder beklagen sich auch über die erschwerten bürokratischen Verfahren bei der Vergabe von EU-Hilfen. Bis zu 80 Prozent der Mittel gehen durch Bindungen an Beratungsdienstleistungen und Einkaufsverpflichtungen zurück an die EU-Länder. Die Entscheidungen über EU-Finanzierungsprojekte werden besonders eifersüchtig von den Mitgliedsländern verfolgt. Ein Dschungel von Komitees sorgt offensichtlich für die »richtige« Verwendung der Mittel. Auch das Verbluten der ärmsten Länder an der Auslandsschuldenlast ist scheinbar für die Europäische Union bisher kein ernsthaftes Thema gewesen. Gerade im Falle der ärmsten Länder, die zumeist mit über der Hälfte ihrer Schulden bei internationalen Finanzinstitutionen in der Kreide stehen, hätten Möglichkeiten für Initiativen des einflussreichen EU-Wirtschaftsblocks bestanden. Das Gegenteil ist der Fall: Statt der erwarteten alternativen Strukturanpassungsprogramme hat sich die EU mit der Zeit voll und ganz auf die Programme des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank eingeschworen, die zwar eine Öffnung der Märkte der Entwicklungsländer erreichen, aber bisher einen Beweis für ihren Entwicklungsbeitrag schuldig geblieben sind. Ein weiterer Faktor im Ausgleich zwischen Nord und Süd ist die öffentliche Entwicklungshilfe, besonders dort, wo der anschwellende Fluss privater Finanzmittel nicht hinreicht, wie dies in Afrika südlich der Sahara der Fall ist. Bekanntlich hat die öffentliche Entwicklungshilfe aller OECD-Länder im Jahre 1996 einen Einbruch um etwa 40 Milliarden Schilling gegenüber dem Vorjahr erlitten. Weniger bekannt dürfte aber sein, dass die EU im selben Jahr 32 Milliarden Schilling Entwicklungshilfe weniger als versprochen und vorgesehen geleistet hat. Allein die Tatsache, dass ein Viertel der Weltbevölkerung in extremer Armut lebt, müsste jeden Ansatz widerlegen, der behauptet, Entwicklungshilfe sei heutzutage obsolet geworden.

Fortsetzung / - 2 -


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