ÖGB-Demo - wie weiter?
Betreff: Zwickl versus Till zur ÖGB-Demo
War ich anfangs noch der Auffassung, dass Josef Zwickl die Gefahren der Regierung der Stahlhelm/Blaue Horden-Koalition lediglich unterschätzt, entpuppt er sich in seiner Debatte mit Herbert Till zu guter Letzt als Vollblut-Anhänger von Blau-Schwarz!
Da kommt es bei ihm natürlich auch nicht vor, dass mit dem Schüssel/Haider-Gespann das Manchester-kapitalistisch & rechtspopulistische Bürgertum Österreichs direkt an die Macht gehievt wurde. Deren Programm heißt eindeutig Abbau des Sozialstaats (gekoppelt mit patriarchaler Familienförderung), Privatisierungsoffensive für die Konzerne (ÖIAG) und Ausschaltung der Gewerkschaften - alles begleitet mit rechtem tw. bis faschistoidem Sozialpopulismus!
Wie geht mensch nun mit dieser historischen (!) Wende zur Ausschaltung der Sozialpartnerschaft um? Das ist das eigentliche Thema zwischen Zwickl und Till, pointiert in einem Dialog der beiden ausgedrückt, dass Zwickl-seits die Gewerkschaft im Konflikt um den Hauptverband bloß gegen ihre eigene Entmachtung demonstrieren ließe, doch Till-seits eine ohnmächtige Gewerkschaft nicht zu wünschen sei.
Ich war im Vorjahr einer der 4000 BetriebsrätInnen im Vienna-Internationl-Center, die damals zusammengetrieben worden waren - OHNE Rederecht nur zum Applaudieren der GewerkschaftsbürokratInnen da! Es ging darum, Blau-Schwarz in ihren ÖIAG-Privatisierungsplänen und in ihrer Absicht zu bremsen, Sozialpartnerschaftsverhandlungen über Arbeitszeit und Flexibilisierung auf Betriebsebene zu dezentralisieren. Ähnliche Gefühle der Hilflosigkeit beschlichen mich jetzt am 5. Juli bei der ÖGB-Demo, wo wir wiederum nur brav demonstrieren durften, um abschließend am Ballhausplatz den Sallmutter und Verzetnitsch zu applaudieren. Es ging nämlich erneut darum - und nur darum -, den Regierenden und Unternehmern die ÖGB-„Macht eindringlich vorzuführen, dass mit Verzetnitsch & Co sehr wohl verhandelt werden muss! Verzetnitsch beendete dann seine Abschlussrede mit dem „zündenden“ Hinweis auf den Parlamentstag am nächsten Tag ...
Zwickl hat natürlich Recht: Der ÖGB-Führung geht es in erster Linie um ihren Machterhalt. Und der ist mit allen Machtpositionen und Privilegien an die Sozialpartnerschaft gebunden, dass sich Unternehmer und Regierung in den verschiedensten staatlichen und halbstaatlichen Gremien mit den „Arbeitnehmervertretern“ an den Tisch setzen. Wie gesagt, baut nun das liberalkapitalistisch-rechtsgerichtete Bürgertum dieses Vorrecht zielstrebig ab. Doch Verzetnitsch & Co sind (potenziell) ebenso von „unten“ bedroht. Müssen sie doch heutzutage viel mehr als bisher den Regierenden mit dem Masseneinfluss des ÖGB (!) drohen. Dabei steigt allerdings im selben Maße das Risiko, dass sozusagen eine Lawine losgetreten wird. Die Unzufriedenheit unter den Lohnabhängigen, das merkte ich sowohl unter den 4000 BetriebsrätInnen im Vienna-International Center als auch zuletzt am 5. Juli - ist viel größer als dort „oben“ in der ÖGB-Spitze. Was aber, wenn sich in einem von der ÖGB-Spitze ausgerufenen Streik (was eine Premiere in der 2. Republik wäre!) eine Eigendynamik entwickeln würde und sie die Bewegung nicht mehr voll kontrollieren könne? Ihre Sozialpartnerschaftspolitik wäre von „unten“ in Frage gestellt! Schüssel/Riess-Passer/Leitl hätten dann natürlich noch weniger Anlass, sich mit den ÖGB-Granden an den Verhandlungstisch zu setzen...
Dieser zwiespältigen Angst der ÖGB-Spitze entsprach haargenau die bisherige „Mobilisierungs“-Politik des ÖGB: Bestenfalls brave Aufmärsche, ja kein Wort von Streik von den Podien aus und eine „Urabstimmung“ steht uns im Herbst wahrscheinlich ins Haus, wo sie uns über „gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen “(???), d.h. ausschließlich über Aktionen fragen werden, die total vom ÖGB kontrolliert sind.
Zwickl ist besonders lustig, wenn er im Gegensatz zur SPÖ/FSG stolz auf die Meinungsvielfalt in ÖVP/ÖAAB hinweist. Es handelt sich bekanntlich um jene Vielfalt, wo sogar AK-Vizes (!) „siebte Zwerge von links“ sind, die im ÖAAB des Führertrios Kohl, Fasslabend & Gehrer nichts zu reden haben ... Der ÖAAB ist eine streng hierarchische Gewerkschaftsgruppierung, die zur Zeit ein und aus geht im Bundeskanzleramt und in den Ministerien der Stahlhelme. Die FSG wiederum wartet zur Zeit passiv auf die nächsten Nationalratswahlen und .... wiegelt inzwischen jede unabhängige Mobilisierung ab! Beides, Abwiegelungen und eine SPÖ wieder in der Regierung, halte ich für eine fatale Angelegenheit.
Das wirkliche Problem - das Zwickl als ÖAAB-Mann(?) natürlich überhaupt nicht kennt - ist, dass der ÖGB noch immer 1,5 Millionen Lohnabhängige organisiert. Für den 5. Juli hatte dieser binnen 4 Tagen 50.000 Leute mobilisiert! Hunderttausende Lohnabhängige halten nach wie vor die ÖGB-Führung für ganz wichtig dafür, dass sozusagen der Kapitalismus wieder „gerechter“ würde. Auch Zwickl glaubt an Verbesserungen - allerdings unter Blau-Schwarz. Hunderttausende Lohnabhängige sind in diesem Sinne politisch schon weiter und glauben, dafür den ÖGB zu brauchen, der Blau-Schwarz dazu drängen müsse ...
Andererseits sind Tausende - und darunter viele LehrerInnen - gerade im letzten Jahr draufgekommen, dass der ÖGB kein taugliches Werkzeug ist. Einige unter uns rufen dazu auf, den ÖGB zu verlassen. Ich bin auch mit der UBG gegangen, will aber mit einem Bein im ÖGB bleiben (und bleibe ÖGB-Mitglied). Denn die fortschrittlichen GewerkschafterInnen und AktivistInnen sind noch längst keine Mehrheit! Mir geht es darum, eine kämpferische Gewerkschaftsopposition in- und außerhalb des ÖGB mit aufzubauen. Viele FSG-Mitglieder und evt. auch einige FCGlerInnen sind dabei zweifellos wichtige Verbündete ...
Mit gewerkschaftlichen Grüßen,
Karl Fischbacher
PV im Öffentlichen Dienst
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