Süddeutsche Zeitung 11 07 01
 
„Wir brauchen eine neue Lehrerausbildung“
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Zum ersten Mal haben Eltern und Lehrer ein gemeinsames Papier zur Erziehung unterzeichnet. Anlässlich der Vorstellung am Dienstag in Berlin fragte Jeanne Rubner den Vorsitzenden der Lehrergewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE), Ludwig Eckinger, nach den Konsequenzen des Appells.

SZ: Eltern halten Lehrer oft für faul und inkompetent, Lehrer wiederum kritisieren, dass Eltern ihren Erziehungspflichten nicht mehr nachkommen. Warum die plötzliche Eintracht?

Eckinger: Schuldzuweisungen führen doch nicht weiter. Uns geht es mit dem Bundeselternrat darum, Erziehung zu stärken – da war es nicht schwierig, einen Konsens zu finden.

SZ: Sind Sie nicht der Meinung, dass Eltern ihre Pflichten vernachlässigen? Viele Kinder kämen mit nur Cola im Bauch in die Schule, kritisierte jüngst einer Ihrer Kollegen.

Eckinger: Wir meinen schon, dass viele Eltern ihren Kindern zu viele Zugeständnisse machen. Als Erziehungs-Profis müssen wir das den Eltern klar machen. Erziehung heißt eben immer wieder Entscheidung und Konsequenz. Aber ich darf als Lehrer auch nicht etwas von Kindern fordern, was ich nicht selbst bringe. Das könnten viele Lehrer durchaus mehr beherzigen.

SZ: Bedeutet der Appell zur Erziehung auch eine andere Ausbildung?

Eckinger: Ja. Wir brauchen zwar das fachwissenschaftliche Studium, denn um die Begeisterung der Schüler zu wecken, reicht es nicht, ein paar Formeln mehr zu kennen als die Kinder. Aber die eigentliche Wissenschaft des Lehrers sind Pädagogik und Psychologie, die leider zu kurz kommen.

SZ: Müsste man dann nicht zurück zu den Pädagogischen Hochschulen, die in den 70er Jahren abgeschafft wurden?

Eckinger: Nein, die Universität ist der richtige Ort für die Lehrerausbildung. Aber die Fachdidaktik muss dort ernster genommen werden. Es muss ein Kerncurriculum in den Erziehungswissenschaften geben, Pädagogik darf nicht als minderwertig angesehen werden – das haben wir schon 1999 zusammen mit den Kultusministern festgestellt. Wir brauchen in der Ausbildung mehr Praktika, vom Beginn des Studiums bis zum Schluss.

SZ: Was kann Ihr Appell denn konkret an der Schule bewirken?

Eckinger: Wir müssen so etwas wie Erziehungsverträge schließen, sodass Eltern, die permanent Desinteresse an der Schule demonstrieren, ermahnt werden können.

SZ: Wie wollen Sie Eltern bestrafen?

Eckinger: Das wollen und können wir nicht. Aber wir müssen auch jene desinteressierten Eltern durch immer neue Versuche motivieren.