Angesichts der Nachrichten aus Deutschland stellt sich für mich immer mehr die Frage, ob denn tatsächlich die Erhaltung der Sozialpartnerschaft, die Bündnisfähigkeit, das oberste Ziel einer Gewerkschaft sein kann und soll, oder ob nicht eine autonome Handlungsfähigkeit, die Durchsetzung unserer Interessen nötigenfalls auch gegen den Willen der anderen Seite und die Entwicklung der dafür notwendigen Strategien, ein wesentlich höher anzusetzendes Ziel sein soll.

mkG
Günter Wittek _______________________________________________________________________


Berliner Zeitung
Dienstag, 17. Juli 2001

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tml

DGB bietet Lohnzurückhaltung gegen Arbeitsplätze an
Dieter Schulte stellt Unternehmern Bedingungen für die Tarifrunde / "Arbeitslosenzahl von 3,5 Millionen im nächsten Jahr noch erreichbar" Thorsten Knuf und Hendrik Munsberg

BERLIN, 16. Juli. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Dieter Schulte, hat den Arbeitgebern für die Anfang kommenden Jahres beginnende Tarifrunde moderate Lohnabschlüsse in Aussicht gestellt. Allerdings nannte Schulte dafür im Gespräch mit der "Berliner Zeitung" strikte Bedingungen: Die Unternehmen müssten "endlich den gewaltigen Berg an Überstunden abbauen und auf diese Weise neue Stellen schaffen", forderte der DGB-Chef. "Und sie sollen nicht nur über Teilzeit reden, sondern endlich in den Betrieben dafür sorgen." Schulte sagte weiter: Wenn die Arbeitgeber "mehr guten Willen aufbrächten, dann wäre auch das Ziel des Bundeskanzlers noch erreichbar, im Jahr 2002 die Arbeitslosenzahl auf unter 3,5 Millionen Menschen zu drücken". Der DGB-Vorsitzende betonte: "Es liegt aber in der Hand der Arbeitgeber - wenn sie in diesem Jahr noch genug tun, dann sind wir auch bei den nächsten Tarifverhandlungen kompromissbereit. Wir werden bilanzieren und dann entscheiden. Ich sage den Arbeitgebern ausdrücklich: Die Tür ist noch nicht zu." Der DGB-Chef bekannte sich zur Fortsetzung des Bündnisses für Arbeit zwischen Bundesregierung, Gewerkschaften und Wirtschaft. "Ich zumindest möchte am Bündnis für Arbeit festhalten", sagte Schulte. "Aber das Entscheidende ist doch, ob das, was wir dort verabreden, auch umgesetzt wird." Schulte erklärte: "Im Bündnis für Arbeit haben wir nicht nur über die Quantität und die Laufzeit von Tarifverträgen konkrete Vereinbarungen getroffen, wir haben uns auch auf qualitative tarifpolitische Ziele verständigt - nämlich: Qualifizierung und Weiterbildung sowie den Ausbau der tariflichen Altersvorsorge." Bei beiden Punkten seien Gewerkschaften und Unternehmen inzwischen "auf gutem Weg", so Schulte. In der Metall- und Chemieindustrie habe es dazu erste Abschlüsse gegeben. "Und wenn sich das bis Jahresende auch in anderen Branchen so entwickelt, müssen wir anerkennen, dass sich die Arbeitgeber an die Verabredungen halten".

"Schmaler Grat"
Der DGB-Vorsitzende sagte, die entscheidende Frage heiße heute: "Gelingt es den Arbeitgebern ein weiteres Mal, das von den Gewerkschaften zu bekommen, was sie vor anderthalb Jahren schon einmal erreicht haben?" Damals habe man sich "an dem Ziel orientiert, Tarifverträge zu vereinbaren, die über einen möglichst langen Zeitraum laufen und die Beschäftigungsaufbau ermöglichen sollten", erläuterte Schulte. Allerdings sei der Grat, auf dem sich die Tarifparteien inzwischen bewegten, "bedeutend schmaler geworden". "Unsere Erwartung war, dass es zu einer erheblichen Minderung der Arbeitslosigkeit kommen würde." Heute müsse er jedoch feststellen: "Wir haben einiges erreicht, aber ich bin mit der Arbeitsmarktbilanz nicht zufrieden", kritisierte Schulte. Hinzu komme, dass die Teuerung zurzeit ein Niveau erreiche, "das auch die bereits abgeschlossenen, moderaten Tarifverträge nicht gerade unterstützt", sagte Schulte und fügte an: "Wenn wir heute Bilanz ziehen würden, dann müssten wir feststellen, dass die Arbeitnehmer angesichts der Inflationsrate Reallohneinbußen hinnehmen müssen."


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