PRESSE 25 07 01
 
"Bildung als Kompaß im Informations-Dschungel"

Im Zeitalter der Globalisierung ändern sich die Anforderungen an Lehrer und Erzieher: Eine Tagung in Salzburg befaßte sich mit dem Thema.

Von unserer Korrespondentin Claudia LAGLER

SALZBURG. Heimweh plagt Kinder und Erwachsene gleichermaßen. Doch wonach sehnt man sich, wenn die Grenzen im Zeitalter der Globalisierung immer mehr verschwinden und die Welt zum globalen Dorf wird? Welche Herausforderungen bedeutet dieses Spannungsfeld zwischen Heimat und Globalisierung für jene Menschen, die anderen Wissen und Werte vermitteln? "Heimat in einer globalisierten Welt" lautete das Thema der 50. Internationalen Pädagogischen Werktagung, die vergangene Woche in Salzburg stattfand. Rund tausend Pädagogen aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und Südtirol waren gekommen. Globalisierung werde oft als "Kosename" für Weltherrschaft gebraucht, warnte der Physiker und Träger des alternativen Nobelpreises, Hans-Peter Dürr in seinem Referat. Aber daß alles mit allem zusammenhänge, wäre eine Grunderkenntnis. Für ihn ist die Welt durch den technischen Fortschritt noch lange nicht das globale Dorf. Ganz im Gegenteil: "Die Abweichung ist das Schöpferische."
Je verschiedener die Menschen seien, desto besser funktioniere das Zusammenleben. Die kulturelle Vielfalt macht für Dürr die Robustheit einer Gesellschaft aus. Vor diesem Hintergrund darf sich für Dürr die Schule nicht auf das Erlernen von Daten und Fakten und das Verknüpfen von Informationen beschränken. Das könne heute schon ein PC erledigen. Er gehe vielmehr darum, den jungen Menschen Fähigkeiten zu vermitteln, damit sie in der Informationsfülle das Wesentliche erkennen. Denn erst diese Zusammenschau ermögliche schnelle Orientierung und innovatives Handeln im komplexen Neuland: Bildung als Kompaß im Informationsdschungel.
Heimat ist für Jörg Knoll, Inhaber des Lehrstuhls für Erwachsenenpädagogik der Universität Leipzig, eine "innere Wirklichkeit". Wer pädagogisch handle, müsse zuerst seine eigene "Beheimatung" klären. Um Heimat als inneren Halt zu entwickeln, müßten Kontinuitäten angeboten werden: dauerhafte Bezugspersonen in der Familie, im Kindergarten, der Schule. Eine "innere Heimat" mit gleichzeitiger Offenheit für die Welt sieht Knoll als Voraussetzung für den Respekt vor der Heimat des anderen. Gruppen, die durch die Globalisierung am meisten bedroht seien, würden zu Kämpfern für die Heimat, glaubt die Psychologin Beate Mitzscherlich aus Leipzig. In diesem ethnozentrischen Begriff von Heimat spiegle sich die Überforderung durch die "Zumutungen durch die Moderne". Besonders Jugendliche, die noch nach ihrem Platz in einer unübersichtlichen Gesellschaft suchten, seien anfällig für fundamentalistische Ideologien und deren Gemeinschaftsversprechen, meinte sie.
Hinter Übergriffen auf Fremde stehe oft das "Fremdfühlen im eigenen Land", das Fehlen sozialer Anerkennung und von sinnstiftenden Perspektiven. Je stärker die Fliehkräfte im sozialen System würden, umso stärker müßten die Bindekräfte zur Integration werden. Dabei käme den Pädagogen eine wichtige Aufgabe zu, sagte die Psychologin. Sie müßten die jungen Menschen mit Konfliktfähigkeit, interkulturellem Verständnis und Toleranz wappnen sowie Gemeinschaftsgefühl, Bindungsfähigkeit und soziale Verantwortung fördern. Es gehe um die Entwicklung einer neuen Art von Gemeinschaft, die individuelle Unterschiede anerkenne und integriere.