Salzburger Nachrichten am 25. Juli, 2001 - Bereich: Seite1

Auf zur neuen Klassengesellschaft in den Klassenzimmern!
DER STANDPUNKT

NORBERT LUBLASSER
Die Hauptschule ist besser als ihr Ruf. Hauptschulen bieten Schwerpunkte und Auswahlmöglichkeiten, die viele Gymnasien im Vergleich als kümmerliche Einheitsanstalten erscheinen lassen. Und Hauptschulen sind keine Sackgasse, sie sind - entsprechend genutzt - ein Sprungbrett zu höherer Bildung. Dennoch kämpft die Hauptschule mit einem Imageproblem. Die heutige Elterngeneration ist aufgewachsen in einer bildungspolitischen Klassengesellschaft, in der die Schüler in gescheite (Gymasiasten), dumme (Hauptschüler, erster Klassenzug) und ganz dumme (Hauptschüler, zweiter Klassenzug) aufgeteilt wurden. Schüler erster Ordnung, zukünftiger Bildungsbürger mit Karrierechancen, wurde nur, wer die Aufnahmsprüfung zu einer Allgemeinbildenen Höheren Schule schaffte. Das war von der Tagesform ebenso abhängig wie von den Aufgabenstellungen, von der Sympathie oder Antipathie, die ein Prüfer gegenüber den zu Prüfenden empfand. Manch akademische Laufbahn wurde schon im Ansatz zunichte gemacht. Bildungspolitik fand in Österreich zu dieser Zeit nur in winzigen Dosen statt: Zu verschieden waren die ideologischen Ansätze, mit denen die damaligen Großparteien SPÖ und ÖVP an die Materie herangingen. Die notwendige Zweidrittelmehrheit im Nationalrat verhinderte tiefgreifende Reformen. Die beiden Parteien rieben sich zwischen Ganztagsschule und Tagesheimschule, zwischen einer gemeinsamen Schule der 6- bis 14-Jährigen und der Beibehaltung des pluralen Systems auf. Mit der Abschaffung der Aufnahmsprüfung wurde deshalb ein kleiner Schritt in Richtung Öffnung einer Bildungskarriere für alle gesetzt. Mit dem Erfolg, dass diese Möglichkeit auch vermehrt genutzt wurde. Innerhalb kürzester Zeit wurde denn auch ein Sinken des Niveaus an Gymnasien beklagt. Was war passiert? Heerscharen von Eltern fielen über Volksschullehrerinnen und -lehrer her, um für ihre Sprösslinge jene Noten zu erbetteln, die einen Einstieg in die AHS ermöglichten. Unter diesem Druck entstand ein deutliches Gefälle in der Notengebung zwischen Land- und Stadt-Volksschulen. Während nämlich auf dem Land weiter die Hauptschule erstes Ziel der abgehenden Volksschüler blieb, drängte in der Stadt fast alles ins Gymnasium. Die Diskussion um Aufnahmekriterien für die AHS, wie sie jetzt von der ÖVP losgetreten wurde, ist gerade deshalb kontraproduktiv. Sie signalisiert nur, dass es in Zukunft wieder zwei Klassen von Lernenden geben soll. Sie ist damit ein Dolchstoß für die aufblühenden Hauptschulen und eine ideologische Aufwertung der Gymnasien, die in keinem Verhältnis zum pädagogischen Angebot steht. Am Ende kommt also genau das Gegenteil von dem heraus, was Gehrer & Co vorgeben, als Ziel im Auge zu haben.



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