Sg. Koll. Adam
Um auf ihre Ausführungen deutlich erkennbar einzugehen, schreibe ich diesmal meine Anmerkungen und Fragen zwischen ihre Zeilen.
mfG
Günter Wittek
----- Original Message -----
From: Hans Adam
To: Günter Wittek
Cc: LF Lehrerforum
Sent: Friday, July 27, 2001 6:49 PM
Subject: LF: Re: Re: Re: 15. Juli 1927 bis 21. Juli 2001
HA > Sg. Koll. Wittek!
HA >
HA > Ich glaube, dass sich in Östereich die Demokratie doch weiterentwickelt hat.
Es wäre schön und erfreulich, wenn es eine kontinuierliche Weiterentwicklung gäbe. Was wären ihrer Meinung nach die Parameter, an denen wir eine solche Weiterentwicklung erkennen könnten? Für mich wären "mehr Diskussionsbereitschaft", "besseres Eingehen auf die Meinung Andersdenkender" solche Parameter, die ich aber derzeit nicht erkennen kann.
HA > In der Zeit nach der Monarchie war die österreichische Demokratie ein Baby, HA > nun ist Sie doch nach einigen Wirren, schon erwachsen. Ich vertraue auf die HA > Demokratie und die Gewaltfreiheit.
Die tatsächliche Entwicklung ist meiner subjektiven Beobachtung nach ein recht schwieriger und manchmal auch ein rückläufiger Prozess. Der hoffnungsvolle Jüngling benimmt sich in letzter Zeit manchmal babyhaft oder kindisch, um in ihrem Bild zu bleiben. Bei der Lektüre von Nestroy-Texten (gegen den Untertanenstaat) ist die Aktualität oft sehr auffallend, aber auch die Vergleiche zur Zwischenkriegszeit geben viel an Erkenntnis her. Auch ich habe ein prinzipielles Vertrauen in Demokratie und Gewalltfreiheit. Aber meiner Ansicht nach kommt Demokratie nicht von selbst, sondern man muss was dafür tun - wir müssen etwas dafür tun. Demokratie und über andere drüberfahren schließen einander aus, daher hat die Frau Minister mit ihrem Ausspruch, dass sie ein Budget zu sanieren hat, und basta! uns allen damit keinen guten Dienst erwiesen. Die Gewaltfreiheit ist natürlich ein schönes und erstrebenswertes Ziel. Doch wenn ich diesen Begriff im Munde führe, dann gehört es dazu mir auch anzuschauen, welche Formen der Gewalt es in unserer Gesellschaft gibt. Und nach meiner Analyse, Erfahrung gibt es ein großes Ungleichgewicht zwischen Leuten in unserer Gesellschaft, die entweder zur Gruppe der Mächtigen oder zur Gruppe der Ohnmächtigen in dieser Gesellschaft gehören. Die Mächtigen bestimmen über die Ohnmächtigen in der Gesellschaft. Das ist eine Form der Gewalt, das ist "strukturelle Gewalt". Und es kommt mir darauf an, Wege aufzuzeugen, wie die Ohnmächtigen in unserer Gesellschaft sich Gehör (Zuhörer) verschaffen können, ohne diese Aufmerksamkeit durch Gewalt (Pflastersteine) erringen zu müssen. Eine ehrliche Diskussion über alle Formen struktureller Gewalt einzuleiten und zielführend weiterzuführen, das wäre ein wichtiger Beitrag um unseren hoffnungsfrohen Jüngling aus der pubertären Krise herauszuführen.
HA > Ich finde es nicht in Ordnung, dass nun manche sozialdemokratische Kreise HA > nach dem Verlust der Macht alles in das rechte Eck zu stellen versuchen und HA > eine Fundamentalopposition zu betreiben.
Ich frage mich, ob selbstbewusste politische Akteure sich ins Eck stellen lassen oder ob sie sich freiwillig dort positionieren. Wer sich von der Demokratie entfernt, und ein "autoritäres Regime" auch nur klammheimlich befürwortet, der hat sich ins rechte Eck gestellt. Wer in der Gewerkschaftspolitik die Interessen des Staates höher bewertet als die berechtigten Anliegen der Betroffenen, der stellt sich damit ins Eck. Wer Kritik an Maßnahmen der Regierung undifferenziert ablehnt und dieser Regierung in Nibelungentreue die Stange hält, der hat sich positioniert und leistet unserer Demokratie keinen guten Dienst. Der Begriff "Fundamentalopposition" entspang (wenn ich Zeitungsmeldungen richtig
nachvollziehe) in der jetzigen Debatte einem Diskussionsbeitrag von Frau Rauch-Kallat. Sie hat das "Ende der Konsensdemokratie" und den Übergang zur "Konfliktdemokratie" ausgerufen. Die Politik der SPÖ ist meiner Meinung nach konsensorientiert bis hin zur Selbstverleugnung eigener Grundsätze, ich kann nicht erkennen, wo diese Fundamentalopposition tatsächlich stattfinden sollte.
HA > Aktivitäten zum Schutze unserer Umwelt sind überlebensnotwendig für die HA > Menschheit, aber mit Gewalt kann ich kein Umdenken der handelnden Personen HA > erreichen.
Das ist richtig. In unverantwortlicher Weise wird das gesamte Klima der Erde in einen labilen Zustand gebracht, aber der Profit einiger Leute zählt offenbar mehr als das Wohlergehen großer Teile der Menschheit. Leider ist es nicht so, dass die Entscheidungsträger dieser Welt sachlichen und vernünftigen Argumenten zugänglich sind. Gewalt ist nicht der richtige Weg, aber wer kann den richtigen, den notwendigen und zugleich erfolgversprechenden Weg angeben? Wollen wir tatenlos zusehen, dass sich eine Prophezeiung des Nostradamus erfüllt, wonach eine "große Stadt mit in den Himmel ragenden Häusern" im Meer versinken wird? Werden die Amerikaner erst dann aufwachen, wenn New York dauerhaft unter Wasser steht? Muss uns erst das Wasser bis zum Halse stehen, dass wir etwas dazulernen?
mfG
Günter Wittek
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