PRESSE 30 07 01
Amon für harte Linie: "Das Schulwesen wird politisch unterminiert"
Die Gesamtschule dürfe nicht durch die Hintertür kommen, kritisiert VP-Bildungssprecher Amon und schießt sich auf die SP-Schulbehörden ein.

VON ERNST SITTINGER

 Die jüngsten Turbulenzen rund um das von der ÖVP verlangte Aufnahmeverfahren in höhere Schulen sind noch nicht verhallt, da legt VP-Bildungssprecher Werner Amon bereits nach: "Wir stehen erst am Anfang dieser wichtigen Diskussion. Wenn man einen leistungsorientierten Zugang zum Schulwesen hat, dann muß sich etwas ändern."
Amon schießt sich voll auf die Schulbehörden in Wien und anderen SP-dominierten Städten ein. "Die Aufsichtsbehörde versagt massiv, es wird bewußt darauf hingearbeitet, die Hauptschule kaputt zu machen und die Gesamtschule für Zehn- bis Vierzehnjährige umzusetzen." Anders seien die unterschiedlichen Verlaufskurven - in den Städten gehen im Schnitt mehr als 50 Prozent der Kinder ins Gymnasium, in ländlichen Regionen nur knapp 30 Prozent - nicht erklärbar. Amon: "Daß Landkinder dümmer sind, wird wohl niemand behaupten."
Sein konkreter Vorwurf lautet, daß Kinder mit einem Befriedigend in einem Hauptfach, die an sich schon nach derzeitiger Gesetzeslage nur mit Aufnahmetest in die AHS dürften, in gewissen Städten von diesen Tests so gut wie immer befreit würden. "Was als Ausnahme gedacht war, ist zur Regel geworden. Der Freibrief wird immer erteilt." Die Schlußfolgerung: "Das differenzierte Schulwesen wird politisch unterminiert." Und dagegen müsse die ÖVP aktiv einschreiten: "Ob ich mit 10 oder 12 Jahren selektiere, darüber kann man reden. Aber es muß etwas geschehen, soferne ich nicht als ÖVP anfange, an der Differenzierung des Bildungssystems zu zweifeln."
Um konkrete Schritte ist Amon freilich verlegen: Darüber müsse erst verhandelt werden. Der Bildungssprecher ist bemüht, sich an die zuletzt von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer ausgegebene Linie zu halten, wonach die ÖVP keine Aufnahmetests, sondern nur ein unverbindliches Prognoseverfahren anstrebe. Amon kann sich ein mehrstufiges Verfahren vorstellen: Einerseits soll es "stichprobenartige Überprüfungen" der Leistungsniveaus in den Volksschulen geben. Beim Übertritt in die AHS soll ein standardisierter Test folgen. Fällt dieser negativ aus, sollten Volksschul- und AHS-Lehrer gemeinsam eine Empfehlung für das jeweilige Kind erarbeiten. Also eine Art kommissionelle Prüfung? Amon: "Das klingt mir zu dramatisch. Ich hoffe, daß die Empfehlung allein schon eine Bewußtseinsbildung bewirkt und die Eltern auf den AHS-Besuch verzichten. Schließlich ist Österreich gerade im Bildungswesen von einem sehr josephinischen Geist beseelt." Aber natürlich könne es passieren, "daß zum Schluß jemand sagen muß, du darfst nicht."
Allerdings: "Wenn Eltern darauf bestehen, daß man ihnen die Letztentscheidung einräumt, dann bin ich alles andere als ein staatlicher Zentralist. Schließlich sind sie es, die die Nachhilfestunden zahlen." Gerade deshalb sei es absurd, wenn die SPÖ von sozialer Selektion spreche: "Ungerecht ist es, wenn sich reiche Eltern mehr Nachhilfestunden leisten können als arme."
Einen Kritikpunkt akzeptiert Amon freilich: "Zuerst müssen wir etwas für die Hauptschulen tun. In manchen Bezirken sagen die Eltern zu Recht, diese Hauptschule ist für mein Kind nicht zumutbar."