S.g. Koll. Adam!
In ihrer Antwort auf meinen LF Beitrag über "Weiterentwickelte Demokratie?" stellen Sie sich etwas wehleidig als Opfer eines "menschenverachtenden politischen Radikalismus" dar. Ich wollte nicht Vergangenes aufrühren und aufzählen, wer denn wann ausgeteilt hat und wer wann welche verbale Attacke einstecken musste. Ich wollte die Vergangenheit ruhen lassen und hoffte auf Besserung. Doch nun lese ich ihren Ausspruch von "VERBRECHEN an unseren Kindern".
Dies ist nicht nur ein Missgriff im Ton, sondern auch von der Sache her völlig verfehlt. Denn Sie kennen sicherlich unsere Schulgesetze ausreichend gut um zu wissen, dass wir die Kinder und Jugendlichen ihrem Alter gemäß unterrichten sollen. Als Pädagoge wissen Sie sicher auch, dass wir durch Freude am Lernen zu wesentlich besseren Ergebnissen kommen als durch andauernden Leistungsdruck, begleitende Überprüfungen und Tests. Je länger wir Schüler vor unnötigen Prüfungs-Stress bewahren können, mit umso mehr Freude werden Schüler lernen. Mit zehn Jahren kann man aus pädagogischer Sicht keine Prognose abgeben, wie sich ein Schüler weiter entwickeln wird. Zu viele schulische wie außerschulische Faktoren spielen hier eine Rolle. Auch das Wohlbefinden in einer Klassengemeinschaft, die oft vermeintliche Sympathie oder Antipathie von Klassenlehrern und natürlich in besonderer Weise die familiäre Situation prägen oft sehr deutlich die Leistungsbereitschaft von Schülern. Die Fragen nach der Berufs- und Arbeitswelt werden doch erst allmählich ab der 7. und 8. Schulstufe etwas deutlicher gestellt, und immer wieder zeigt es sich, dass die Schüler nur sehr vage Vorstellungen von der Berufssituation ihrer Eltern und von Bekannten haben.
Ich finde es gut, wenn die Frau Minister es als ihr Anliegen ausgibt, dass Eltern nicht zu viel für Nachhilfe aufwenden sollen. Aber ehrlich
gesagt: es liegt an ihr, dass sie dafür Sorge trägt, dass die ausreichende Zahl an Förderstunden angeboten werden können. Die jetzt ausgelöste Debatte hat doch in Wahrheit nur den realen Hintergrund, dass der Bund am liebsten einen möglichst großen Teil der Bildungsausgaben auf die Länder übertragen möchte, um dem angekündigten Ziel des Null-Defizites wieder einen Schritt näher zu kommen. Aber unter diesen Rahmenüberlegungen bildungspolitische Konzepte zu entwerfen, das grenzt an Vermessenheit.
Der falsche Gedanke der VP-Bildungspolitik (von Amon bis Adam)
lautet: "Die Schüler müssen sich dem Wirtschaftssystem, das wir haben, anpassen." Daraus resultiert die Forderung nach Anpassung an die Leistungsgesellschaft, das führt hin zur Verachtung derer, die nicht so viel leisten wie sie eigentlich leisten könnten, - bis hin am rechtesten Rand zu Haiders Schmarotzer-Ideologie.
Im Gegensatz dazu erhebe ich die Forderung, dass wir unser Wirtschafts- system so gut wie möglich den Bedürfnissen und Erwartungen der Menschen anpassen sollen, denn wenn diese Vision Wirklichkeit wird, dann haben wir glückliche und zufriedene Menschen, die sich darüber freuen, weil sie sich jeder nach seinen Fähigkeiten in die Gesellschaft einbringen können. Das ist der grundlegende Unterschied.
Ich bin neugierig, ob in der Diskussionsrunde der Eindruck vorherrschend sein wird, dass diese beiden Positionen vollkommen unvereinbar sind, oder ob hier doch der Versuch unternommen wird, diese beiden unter- schiedlichen Positionen einander näher zu bringen.
mkG
Günter Wittek
----- Original Message -----
From: Hans Adam
To: Gerhard Gutschi ; LEHRERFORUM
Sent: Monday, July 30, 2001 3:37 PM
Subject: LF: Re: Amon
Sg. Koll. Gutschi!
Eine Differenzierung in unserem Schulsystem gleichzusetzen mit der Selektion in ihrer übelsten Form ist schon eine Frechheit an sich. In einer Leistungsgesellschaft wie sie die heutige in Österreich ist, in der Schule künstlich genau das Gegenteil zu vermitteln, finde ich als Verbrechen an unseren Kindern. Irgendwo gibt es den Spruch: Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir. Wie sieht das Leben aus, dass sie in der Schule vermitteln?
Hans Adam
----- Original Message -----
From: Gerhard Gutschi
To: LEHRERFORUM
Sent: Monday, July 30, 2001 1:21 AM
Subject: LF: Amon
>>Ob ich mit 10 oder 12 Jahren selektiere, darüber kann man reden. Aber
es muß etwas geschehen, soferne ich nicht als ÖVP anfange, an der Differenzierung des Bildungssystems zu zweifeln<<
Zitat Amon in der PRESSE vom 30. 7. 01!
Vielleicht bin ich ein gefühlsduseliger Volksschullehrer, aber wer im Zusammenhang mit Kindern bzw. Menschen von "selektieren" spricht, der sollte vielleicht in einer Apfelsortieranlage arbeiten oder er hatte das Pech der "späten Geburt"!!! Ansonsten sollte man ihn möglichst von Menschen fernhalten. Und an einer ÖVP, die sich so einen "Bildung"ssprecher leistet, zweifle ich schon lange. Aber vielleicht zeigen sie nur ihr wahres Gesicht!?
>>.... soll es "stichprobenartige Überprüfungen" der Leistungsniveaus
in den Volksschulen geben.<<
Na, schön wer´n mans hom - a bisserl an Stress von der ÖVP - wahrlich kinderfreundlich. Noch ein Vorschlag: Ein Plakat mit "unserem" Bundeskanzler und mit Schulkindern, deren "Leistungsniveau" gerade überprüft wird! ÖVP - DIE Familienpartei!
Ein kopfschüttelnder
Gerhard Gutschi
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