Oberösterreichische Nachrichten 01 08 01
 
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 Fragen über den Einfluss der Neofaschisten

 

Er sei "schweigsam, aber präsent", sagt Italiens Staatspräsident. Nach den blutigen Übergriffen der Ordnungshüter am Rande des G8 hat Carlo Azeglio Ciampi seine Zurückhaltung aufgegeben: "Ich will die volle Wahrheit." Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss bringt jedoch die Neofaschisten in Verlegenheit, deren Chef Gianfranco Fini mit vier seiner Abgeordneten während der Schlägereien von Genua in den Schlüsselpositionen der öffentlichen Ordnung saß. Sie wollen keine Kommission. Ein Untersuchungsbericht des Innenministeriums spricht inzwischen von "Fehlern, Amtsmissbrauch und überflüssiger Gewalt" der Polizei.
"Ich möchte wissen, was Fini während des G8 in der Präfektur von Genua und die vier Abgeordneten von Alleanza Nazionale in der Kommandozentrale der Carabinieri taten," fragt sich Luciano Violante, Fraktionsvorsitzender der linksdemokratischen Abgeordneten: "Mussten deshalb die von der Polizei festgenommenen Demonstranten âEs lebe der Duce!´ oder ,Es lebe Pinochet!´ schreien?"
Zentrale Fragen. Die Chaoten der "Black Blockers" waren bereits Montag oder Dienstag mit Eisenstangen und Material für Molotowcocktails in die Hafenstadt gekommen, um das Terrain für die Städteguerilla zu erkunden. In ihren Reihen befinden sich auch rechte Skinheads. Sie schlugen in einer Schule des Stadtviertels Quarto ihr Quartier auf. Dass sie für den Straßenkampf aufrüsteten, war unübersehbar. "Ich habe wiederholt bei der Polizei angerufen. Sie unternahm nichts", berichtet Marta Vincenzi, Präsidentin der Provinz Genua. Auch die Pazifisten, die ab Donnerstag in Genua eintrudelten, witterten die Gefahr und sprachen mit Polizisten. Keine Reaktion von Seiten der öffentlichen Ordnung, die den "Black Blockers" freie Bahn zum Plündern, Prügeln, Brandstiften ließ.
War das Spiel abgekartet? Den Pazifisten gegenüber verhielten sich die Ordnungshüter keineswegs zartbesaitet: Nach der Razzia von Samstag auf Sonntag mussten die im Schlaf Überraschten von den Sanitätern gleich dutzendweise auf Tragbahren abtransportiert werden. Die Blockers operierten oft am Rande der offiziellen Demos, provozierten die Polizei, um sich bei deren Angriff unter den friedlichen Protest zu mischen, der dann prompt seine Tränengassalven und Gummiknüppelhiebe abbekam. In der Polizeikaserne von Bolzaneto wurden Wehrlose verprügelt und gefoltert, mussten sie "Tod den Juden!" schreien. Klar, nicht alle italienischen Ordnungshüter sind Rechtsextremisten. Die aus Rom herbeigeorderte Einheit, die in Genua das Fürchten lehrte, sei jedoch neofastisch unterwandert, las man am Tag darauf in den Zeitungen.

Verfahren gegen Polizei

Sechs Verfahren der Justiz gegen die Polizei, eins des Obersten Justiz-Rats gegen die eigenen Beamten, weil in Genua mit dem Recht der Angeklagten auf einen Verteidiger Schlitten gefahren wurde. Und dann eben der politische Hintergrund: Das Comeback der neofaschistischen Profis, Fini und seiner Leute, an den Schaltstellen der Macht. "Genua war der Startschuss zum Regime", schreibt in "La Repubblica" Starjounalist Giorgio Bocca: "Der Bürger soll Angst bekommen. Auch Unschuldige kann es treffen, sie brauchen nur im falschen Moment an der falschen Stelle stehen."

Auch der Staatspräsident hat, wie er zugibt, eine Gänsehaut bekommen. Was den Untersuchungsausschuss angeht: Während die Neofaschisten mauern, lässt Berlusconis "Forza Italia" mit sich reden.

( von Veit Mölter, Rom )