S.g. Koll. Steinwender

Ich kann ihren Ausführungen einiges abgewinnen, zumal ich in einem Lebensabschnitt, der bei mir nur wesentlich kürzer währte, durchaus auch vergleichbare Erfahrungen sammeln musste.

Ich war vor nunmehr etwa 20 Jahren in der Presseabteilung einer Kammer für Arbeiter und Angestellte beschäftigt. Ich kam dorthin mit den besten Absichten, mit Einsatzfreude und einer Einstellung, nunmehr sehr aktiv Interessen von Leuten vertreten zu können, die nicht so geschickt sind, ihre Gedanken in druckreife Worte fassen zu können. Ich habe in dieser Zeit auch einige Gespräche geführt mit ganz einfachen Arbeitern, über ihre private und ihre betriebliche Situation, über ihre Perspektiven im Betrieb, ich habe da einige Male oft bemerkenswerte Verbesserungsvorschläge gehört, wie "die Bude" besser organisiert werden könnte, zum besseren Wohlbefinden der Beschäftigten aber auch im Sinne von Herstellung neuer, zeitgemäßer Produkte. Ich wollte zeigen, welch kreatives Potential in den Arbeitern und Angestellten in den Betrieben steckt, aber es bestand wirklich keine Chance, diese von mir so hervorragend empfundenen Ideen auch in den Publikationen der Kammer unterzu- bringen. Ich musste die Erfahrung sammeln, dass damals in der Kammer nur derjenige etwas zählt, der eine Funktion hat, aber alle anderen Menschen galten damals als völlig unbedeutend, - wie es heute ist, weiss ich nicht (doch ich vermute, dass man sie jetzt noch nicht einmal als "achte Zwerge" begreift).

Ich will diese Menschenverachtung, die diesem "unseren" Wirtschaftssystem innewohnt, bekämpfen. Ich kann es nicht leiden, wenn nur der etwas zählt, der eine Funktion hat. Ich halte es für unerträglich, dass Entscheidungen immer nur "von oben herab" getroffen werden.

Wenn es denn nicht anders geht (mit einer Demokratisierung von staatsnahen Betrieben), wäre ich sogar insofern bereit bisher als "bürgerlich" eingestufte Vorstellungen ernsthaft in Erwägung zu ziehen und zu begrüßen, wenn ein Umbau der Gesellschaft hin zu einer "Unternehmergesellschaft" stattfindet, allerdings unter der Voraussetzung, dass bei der Realisierung derartiger Projekte wirklich ein sehr hohes Maß an sozialer Gerechtigkeit und an Chancengleichheit sichergestellt wäre. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass unter den Jugendlichen viele gute und zukunftsweisende Ideen kursieren. Allerdings sehe ich auch die vielen (die zum Teil auch voraussehbar
waren) Schiffbrüche von Unternehmensgründer am Neuen Markt. Daher halte ich es für geboten, wenn wir über ein neues, zeitgemäßes Wirtschaftssystem nachdenken und über die begleitenden Leistungen, die unsere Schulen dafür bringen sollen, nachdenken, und bei aller Leistungsorientiertheit trotzdem darauf Rücksicht nehmen, dass ein jeder sich entsprechend seinen Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten entfalten können soll.

Wenn nun einige Leser meinen, dass dies ohnehin möglich sei, so halte ich dem entgegen, dass es hier noch beträchtliche soziale Ungleichheiten gibt. Die finanzielle Situation des Elternhauses sollte meiner Meinung nach nicht über die Zukunftschancen der Jugend entscheiden. Hier die entsprechenden Maßnahmen zu setzen, wäre sicher nicht falsch, wenn aber gewährleistet ist, zB. durch eine wirkungsvolle Bankenaufsicht, dass nicht Verluste der Allgemeinheit angelastet werden, aber Gewinne in private Taschen fließen.

Der Beitrag der Schule: Ideen, Träumereien, Visionen von Vorstellungen Jugendlicher soweit ernst nehmen, Gelegenheit geben über in die Zukunft Weisendes sprechen zu können, das wäre an sich schon ein vielversprechender Ansatz. Denn fast alle großartigen Ideen sind am Anfang auf Widerstand und Unverständnis gestoßen, da können wir einiges besser machen als frühere Generationen.

meint
Günter Wittek


----- Original Message -----
From: A.Walter Steinwender
To: lehrerforum@ccc.at
Sent: Tuesday, July 31, 2001 10:46 PM
Subject: LF: Re: LF: Der härteste Boss wird Lehrer

werter koll. wittek,
Tuesday, July 31, 2001, 6:38:50 PM, you wrote:

GW> Wir sollen die Schüler gefälligst auf das Wirtschafts-Leben
GW> vorbereiten, haben wir in diesem Forum vernommen.

was ist so falsch daran ?
sollen wir ihnen eine heile, streßfreie welt (die es ja garnicht gibt) vorgaukeln ? unsere schüler würden sich dann aber bei uns sehr "bedanken".

tut mir leid, aber ich bin halt nun mal ein "leistungsorientierter mensch" und habe im heutigen wirtschaftsleben kein problem damit.

GW> In der Wirtschaft wiederum ist es so, dass sich (fast)
GW> alle an den Erfolgreichen orientieren.

wie lange waren sie in der wirtschaft tätig lbr kollege wittek ? ich habe fast 20 jahre in der wirtschaft gearbeitet (und zwar in der "verstaatlichten" = spö-nahe), dort war der slogan: wer aufhört zu rudern bleibt nicht stehen, sondern er treibt zurück. wehe, dort war man nicht bei der "partei", dann warst ein ... ich könnte ihnen "sachen" aus diesem betrieb erzählen, die würden sie nicht für möglich halten ...

ich bin im letzten jahr vor meiner freiwilligen kündigung (nach knapp 19 jahren) nach etlichen gesprächen (aufforderungen) in diese partei eingetreten, nur weil ich angst hatte auf der nächsten kündigungliste zu stehen :-( und genau DAS wollte ich mir und meiner familie ersparen !

GW> Nun hat einer der so "Erfolgreichen" seine Geheimnisse ausgeplaudert
GW> und in Buchform veröffentlicht. Ich finde, das kann Grund genug sein
GW> um nachzudenken, ob wir wollen, dass unsere Schüler sich in einem
GW> solchen System prima zurechtfinden, oder ob hier nicht doch besser
GW> Korrekturen im System nötig wären.

ich wäre ihnen wirklich sehr dankbar, wenn sie mir in ein paar zeilen mitteilen könnten, WAS im system geändert werden soll. ich meine damit ihre eigenen ideen, wie wir es in meiner schule
(htbl) ändern sollen/sollten. merci.

GW> Günter Wittek

mfg A.Walter Steinwender

--
Diese Liste wird vom Computer Communications Club (http://www.ccc.at) betrieben. Um sich aus der Liste austragen zu lassen, senden Sie ein e-mail an majordomo@ccc.at mit dem Befehl "unsubscribe lehrerforum" im Nachrichtentext.