S.g. Koll. Steinwender
Ich wollte hier nicht eine Melodie anstimmen, die dann als Selbstmitleid empfunden werden könnte. Die Zustände sind bekannt, und es ist nicht verwunderlich, dass sie da wie dort doch zum Verwechseln ähnlich waren. Es ist sicherlich richtig, und ich will es auch gar nicht bestreiten, dass sich in den letzten Jahrzehnten auch manches zum Besseren hin entwickelt hat. Aber ich bin ein Ungeduldiger, ich will nicht auf morgen warten, wenn es möglich ist, schon heute eine Lösung zu finden. Ich bin überhaupt nicht der Meinung, dass wir immer auf die politische Bühne schauen sollen, was dort manche Wortführer für Sprechblasen liefern, sondern dass wir sehen und erkennen sollen, dass sich die wahren und bedeutenden Ver- änderungen in Wahrheit in unseren Köpfen, in unseren Gedanken, in unseren Gefühlen, in unserem Auftreten in unserem Freundes- und in unserem Bekanntenkreis und natürlich auch in der Schule abspielen.
Ich finde nicht, dass Sie damit recht haben, dass Parteizugehörigkeit viel bewirkt. Natürlich kenne ich die Missbräuche übelster Art, wonach vor Jahrzehnten der Wunsch nach einer Gemeindewohnung in Wien, nach einer Anstellung im Landesdienst in Niederösterreich und so fort erst nach Rücksprache mit einem Parteisekretär erledigt worden ist. Diese Praxis hat denjenigen, die sie betrieben haben, letztlich mehr geschadet als genützt. Andererseits ist vielleicht ebenso richtig, dass Parteizugehörigkeit denjenigen nützt, die sich in innerparteiliche Abhängigkeiten begeben. Es sind diejenigen oft karriereverdächtig, die völlig stupide auch noch die dümmsten Rülpser der Promis nachsagen, nur um in deren Dunstkreis an Ansehen zu gewinnen. Doch ebenso wie sich die Parteibuchwirtschaft schon längst als Schlag ins Wasser herausgestellt hat, so soll und wird sich immer deutlicher herausstellen, dass nur ein Zugehen von Politikern auf autonome Interessensvertretungen ihnen Zustimmung bringen kann, wenn sie sich als ausreichend lernfähig erweisen und mit den Anliegen auch etwas anfangen können.
Natürlich sehe ich auch, dass die Anhänger der "alten" Polit- und Wirtschaftsideologie ihr System verewigen wollen. Wenn der "härteste Boss" nun Lehrer werden will, so will er seine Ansichten von einem gnadenlosen "Einstellen und Feuern" von Mitarbeitern der jüngeren, globalisierungsenthusiastischen Managergeneration mit auf dem Weg geben.
Den Gedanken "Stell dir vor: Es ist Krieg - und keiner geht hin." mag ich im Hinblick auf diese "kriegerische" Wirtschaftswelt abwandeln und sagen: "Stell dir vor: Die Bosse stellen ein - aber keiner bewirbt
sich um so einen Arbeitsplatz." Aber damit rede ich nicht der
Faulheit oder einer gewollten Arbeitslosigkeit das Wort, sondern ich trete dafür ein, dass Mitarbeiter in ihrem Betrieb, in ihrer Bude, in ihrer Schule wirklich ernstgenommen werden, echte Mitbestimmungs- und Mitgestaltungsrechte haben. Und es soll und muss für die Leistungen und die Verantwortung auch die entsprechende Bezahlung geben. Es kann nicht angehen, dass diejenigen in den Firmen, in den Konzernen in Wahrheit das große Sagen haben, die durch ihr Wirken eigentlich mehr ruinieren als aufbauen. Damit rede ich nicht einem einfallslosen Strukturkonservativismus das Wort, aber ganz im Sinne ihrer früheren Firma finde ich auch, dass wer nicht weiterrudert, zurückgetrieben wird. Wenn sich die Bosse an der Firmenkasse vergreifen und profitorientiert um große Beträge neue Geschäfts- bereiche einkaufen, aber zugleich auf die Investitionen vergessen, dann sind dies die alltäglichen Fehlentwicklungen einer globalisierten Wirtschaft. Es stellt sich nur die Frage, ob wir es uns gefallen lassen, dass die Bosse mit von uns erwirtschafteten Kapital Beteiligungen einkaufen, um letztendlich diejenigen, die mit ihrer Arbeit alles geschaffen haben, leichtfertig "feuern" zu können. Wie können wir uns dagegen absichern?
Ich denke, dass die österreichische Wirtschaft von ihrer Struktur her (relativ wenige Großbetriebe, aber eine große Zahl von Klein- und Kleinstbetrieben) eigentlich eine ganz ideale Voraussetzung mitbringt, um neue politische und wirtschaftliche Konzepte zu erproben. - Aber ich bin genau ihrer Meinung, dass die Politik des "Gesundschrumpfens" (ich sage lieber: des Kaputtsparens) nicht zielführend sein kann. Wenn wir etwas aufbauen wollen, was Zukunft hat, dann müssen wir erst einmal dafür die richtigen Voraussetzungen schaffen. nicht zuletzt auch durch ein innovatives Bildungssystem, das den Lernenden wirklich echte Zukunftschancen einräumt.
Als Ungeduldiger würde ich damit lieber heute als morgen beginnen. Doch mir ist klar, dass unter den bekannten Voraussetzungen die Chancen schlecht stehen. Als Optimist stelle ich mir vor, dass Veränderungen auch durch Einsichten in die realen Bedingungen unserer Gesellschaft entstehen können, dass es prinzipiell in jeder Partei zumindest ganz zarte Ansätze innerparteilicher Demokratie geben könnte, und wenn diese Visionäre dann auch noch mutig genug wären, um zu ihrer Meinung zu stehen, dann halte ich diese Vorstellung sogar noch für viel ermutigender als eine neuerliche Kehrtwende der Politik. Aber damit habe ich mich wohl sehr weit von dem entfernt, was mit Realitätssinn heute denkbar erscheint. Oder?
mfG
Günter Wittek
----- Original Message -----
From: A.Walter Steinwender
To: lehrerforum@ccc.at
Sent: Wednesday, August 01, 2001 2:24 PM
Subject: LF: Re: Re. Re: LF: Der härteste Boss wird Lehrer
AWS > sg. koll. wittek,
AWS > Wednesday, August 01, 2001, 10:19:47 AM, you wrote:
GW> Ich wollte zeigen, welch kreatives
GW> Potential in den Arbeitern und Angestellten in den Betrieben steckt,
GW> aber es bestand wirklich keine Chance, diese von mir so hervorragend
GW> empfundenen Ideen auch in den Publikationen der Kammer unterzu-
GW> bringen.
AWS > das kommt mir sehr bekannt vor :)
GW> Ich musste die Erfahrung sammeln, dass damals in der Kammer nur
GW> derjenige etwas zählt, der eine Funktion hat, aber alle anderen
GW> Menschen galten damals als völlig unbedeutend,
AWS > hier wars so, daß man einfach bei der "partei" sein mußte, dann gings ... AWS > aber da gabs nur eine partei .... :(
GW> ... Umbau der Gesellschaft hin zu einer "Unternehmergesellschaft"
GW> stattfindet, allerdings unter der Voraussetzung, dass bei der
GW> Realisierung derartiger Projekte wirklich ein sehr hohes Maß an
GW> sozialer Gerechtigkeit und an Chancengleichheit sichergestellt wäre.
AWS >das wird leider schwer zu realisieren sein, denn solange alles AWS >"gesund-geschrumpft" wird, wird sich nix ändern ... AWS >"erst wenn der letzte fisch gefangen, der letzte baum ...." AWS >aber diesen spruch von den indiandern kennen sie sicher auch.
GW> Denn ich bin fest davon überzeugt,
GW> dass unter den Jugendlichen viele gute und zukunftsweisende Ideen
GW> kursieren.
AWS >das stimmt sicher, ich höre bei den diskussionen mit meinen schülern AWS >immer wieder sehr gute ideen, aber wenn sie dann selber in der AWS >wirtschaft stehen, können/wollen sie diese ideen nicht verwirklichen.
GW> Die finanzielle Situation des Elternhauses sollte
GW> meiner Meinung nach nicht über die Zukunftschancen der Jugend
GW> entscheiden.
AWS >bin ganz ihrer meinung.
AWS >jeder sollte die gleiche chance haben um seinen weg zu gehen. AWS >ob diesen weg nun ein jeder einschlägt (gehen will), sei jedem AWS >selbst überlassen. AWS >"probleme" habe ich mit unserer neidgesellschaft. AWS >mein vater sagte mal zu mir: AWS >"im leben bekommst das mitleid gratis, aber den neid, den wirst AWS >du dir schwer erarbeiten müssen .." AWS >da gibs sehr viele, die alles haben wollen, aber nix dafür einsetzen. AWS >d.h. lernen, lernen, weiter in die schule gehen usw ...
GW> Denn fast alle großartigen Ideen
GW> sind am Anfang auf Widerstand und Unverständnis gestoßen, da können
GW> wir einiges besser machen als frühere Generationen.
AWS >stimmt, aber wenn nan die letzten 40 jahre betrachtet, dann hat AWS >sich schon sehr viel zum guten gebessert. AWS >... und auch in meinen 18 jahren als lehrer hat sich einiges AWS >zum guten/besseren getan. AWS >es wird immer etwas zu verändern/verbessern sein, aber die AWS >realität bremst halt einfach sehr stark ... mfg A.Walter Steinwender
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