SN 02 08 01
 
http://www.salzburg.com/sn/01/08/02/seite1-20603.html
 

VolxTheater in Genua, Laienspiel in Wien

DER STANDPUNKT

ANDREAS KOLLER

Die nach dem Genua-Gipfel inhaftierten Angehörigen der "VolxTheaterKarawane" hätten sich wohl nicht träumen lassen, dass sie mit ihrem Auftritt in der ligurischen Küstenstadt wenn schon nicht das G-8-Treffen, so aber immerhin die österreichische Außenministerin gehörig ins Wanken bringen. Denn was immer man von den Globalisierungsgegnern hält und was immer sie in Genua angestellt oder nicht angestellt haben mögen, eines steht fest: Das politische Management Außenministerin Benita Ferrero-Waldners lässt Zweifel an ihrer Befähigung für dieses Amt aufkommen. Und natürlich für das weit höhere Amt, für das sie immer wieder genannt wird.

Am 27. Juli hatte Ferrero-Waldner die verhafteten Globalisierungsgegner zum Abschuss durch die italienische Strafjustiz freigegeben, und zwar ausgerechnet in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrem italienischen Amtskollegen Renato Ruggiero. Sie habe sich Informationen aus dem Innenministerium vorlegen lassen, denen zufolge einige der Verhafteten "in Österreich bereits durch Störung der öffentlichen Ordnung und Hausbesetzungen aufgefallen und einschlägig vorgemerkt" seien. Einige seien auch der "gewaltbereiten Szene zuzuordnen."

Am 31. Juli zog Ferrero-Waldner die Reissleine. Sie erklärte, sie sei "dubiosen Informationen" des Innenministeriums aufgesessen.

Das mag sein. Doch darum geht es nicht. Frau Ferrero-Waldner hat mit ihrer Aussage ein wesentliches Grundrecht missachtet, nämlich die Unschuldsvermutung. Zwar mag es an manchen Stammtischen gut ankommen, wenn "linke Randalierer", wie Demonstranten neuerdings gerne genannt werden, allein deshalb im Gefängnis dunsten müssen, weil sie irgendwie "aufgefallen" oder "vorgemerkt" oder "zuzuordnen" sind.

Nur: Diese Auffassung führt schnurstracks in die Diktatur. Die Demokratie hingegen, der Frau Ferrero-Waldner verpflichtet ist, hat einen Tatverdächtigen nicht danach zu bewerten, ob er der Regierung sympathisch ist, sondern danach, was er konkret getan hat. Bis dahin hat er als unschuldig zu gelten. Es ist beschämend, dass dieser simple Grundsatz der Außenministerin fremd zu sein scheint.

Ebenso fremd scheint ihr der Grundsatz zu sein, dass Polizeiakten nicht dazu angelegt werden, damit sie die Außenministerin bei Pressekonferenzen vorträgt.

Dank dieses politischen Laienspiels ist Österreich wieder einmal in den Bann einer ebenso unsinnigen wie unwürdigen Debatte geraten. Die Verhafteten von Genua werden als gewalttätige Steinewerfer denunziert oder - je nach Sympathielage - zu gewaltfreien Unschuldsengeln verklärt. Für beides gibt es derzeit nicht den geringsten Beweis. Doch Beweise und ähnlich rationale Dinge haben in derlei Debatten noch nie eine Rolle gespielt.