Süddeutsche 02 08 01
 
 

Acht Jahre sind genug

 Das Saarland macht es den anderen im Westen vor: Die Gymnasialzeit kann verkürzt werden

 Von Jeanne Rubner

Die armen Kinder, heißt es oft, wenn das neue Schuljahr anfängt – die Armen müssen wieder pauken. Arm dran sind demnach jetzt vor allem Saarlands Schüler, zumindest die Fünftklässler, die am heutigen Donnerstag als Erste den Gang zum achtjährigen Gymnasium antreten und damit besonders hart pauken müssen. Lieber lassen wir Schüler ein Jahr länger in Abhängigkeit, lassen 20-Jährige, die sich selbst Krankmeldungen schreiben dürfen, die Schulbank drücken.

Deutsche Schüler sind zu alt, wenn sie Abitur machen, was freilich auch an der Unsitte liegt, Kinder erst mit Sieben einzuschulen. Insofern gebührt dem saarländischen Kultusminister Jürgen Schreier Respekt, dass er im ersten westlichen Bundesland flächendeckend das Abitur nach acht Jahren durchgesetzt hat. Dafür war es höchste Zeit. Denn nachdem nach der Wiedervereinigung, die Chance verpasst worden war, das in der DDR übliche „G- 8“ auch im Westen einzuführen, hat sich der Wind gedreht: Immer mehr Bundesländer sehen ein, dass ein Abitur nach acht statt nach neun Jahren die bessere Lösung ist.

Dabei macht das Saarland vor, dass es nicht darum gehen kann, im Schnellverfahren Fachidioten zu erzeugen, indem man einfach die Lehrpläne strafft. Der abiturrelevante Stoff sei schließlich nicht in acht Jahren zu schaffen, hört man häufig von Lehrerverbänden. Das ist auch gar nicht das Ziel. Vielmehr wird man, wie in Saarbrücken geschehen, Lehrpläne entrümpeln müssen und den Pädagogen mehr Freiheit bei der Ausgestaltung ihrer Stunden lassen. Man wird den Schülern mehr als bisher das Lernen beibringen müssen, statt ihnen Fakten einzutrichtern.

Wenn das gelingt, kann auch nicht das ebenfalls gerne vorgebrachte Argument gelten, dass bei einem schnelleren Lerntempo nur ein Viertel der Gymnasiasten mithalten könne. Dass dann nur noch eine Elite das Abitur schaffen wird, ist durch Thüringen und Sachsen längst widerlegt: Dort ist der Prozentsatz der Abiturienten an den Schulabgängern jedenfalls höher als bisher im Saarland. Die Argumente der Kritiker, meist Pädagogen, sind so fadenscheinig, dass sich der Verdacht aufdrängt, diese wollten verhindern, auch mal nach dem Mittagessen an der Schule bleiben zu müssen.

Die armen Kinder, heißt es hier zu Lande auch – jetzt müssen sie im Saarland mehr Stunden absitzen und sogar, oh Graus, Nachmittagsunterricht in Kauf nehmen. Abgesehen davon, dass in den fünften und sechsten Klassen die zwei Mehrstunden auch am Vormittag zu bewältigen sind – die Älteren werden zweimal in der Woche zwei Stunden am Nachmittag lernen. 33 statt 29 Wochenstunden, über die Gymnasialzeit verteilt. Ist das so schlimm? Auch in Thüringen und Sachsen treiben nicht weniger Schüler Sport oder lernen ein Instrument als anderswo. Und in der Mittagspause werden die saarländischen Gymnasiasten die Cafeteria besuchen können – ein gutes Modell für alle Schulen, weil man nicht erwarten kann, dass jede Mutter zu Hause mit dem dampfenden Essen wartet.