Frankfurter Rundschau 09 08 01
 
Modernere Schulen durch Kommerz?

Die boomenden privaten Nachhilfeinstitute können nach Auffassung des Bielefelder Sozialwissenschaftlers Klaus Hurrelmann das verkrustete staatliche Schulsystem aufbrechen und reformieren helfen: Durch Zusammenarbeit der kommerziellen Bildungseinrichtungen mit den Regelschulen würde "mit einem Schlage" für rund die Hälfte aller Schüler der Jahrgänge 1 bis 8 ein "kompetentes und flexibles" Nachmittagsangebot aus Fachunterricht und sozialer Förderung bereit gestellt, erläuterte Hurrelmann dieser Tage in der Fachzeitschrift "Pädagogik". Dazu bedürfe es allerdings kommunaler Finanzierung, Elternbeiträge, Spenden von Firmen und Stiftungen. Außerdem könnten Eltern und Bürger über Vereine die Schulträgerschaft übernehmen.

Der Bielefelder Professor für Sozialisiationsforschung hält mehr von den Bildungsfirmen als von den öffentlichen Schulen: Die Kommerziellen hätten klare Leitungsstrukturen, eigene Budgets, administrativ erfahrene Leute und flexibel angestellte Lehrbeauftragte - kurz: sie bildeten den "Kern eines neuen organisatorischen Paradigmas von Schule".

Die Institute - darunter Ketten wie "Schülerhilfe" und "Studienkreis" mit bundesweit jeweils tausend Filialen sowie weitere Anbieter mit schätzungsweise tausend Anlaufstellen - können sich über Zulauf am Nachmittag und Abend nicht beklagen. Laut Hurrelmann drücken bei ihnen etwa 600.000 Schüler die Schulbank - für klassische Nachhilfe, Sprachunterricht, Begabtenförderung oder wegen Lese-Rechtschreib-Schwäche. Ein Markt, auf dem Eltern jährlich Geld in Milliardenhöhe anlegen. Laut Hurrelmann sind 15 Prozent aller Viertklässler Kunden bei den Privaten, bis zur Klasse 8 steigt der Anteil auf bis zu 25 Prozent eines Schuljahrgangs. feu