Lieber Kollege Wittek!
Zum einen kann ich mir den Nutzen für Amon nicht ganz vorstellen, wenn er, wie Sie behaupten, mit der Bildungsdebatte nur Unfrieden zwischen APS- und AHS-Lehrern schaffen wollte. Die Entwicklung der Klassenschülerzahlen in den letzten fünf Jahren ist Besorgnis erregend. Da haben Sie recht. Eine Umkehr dieses Weges ist höchst notwendig. Wenn es Ihnen vielleicht wegen meines mails übel geworden ist (oder vielleicht ist es nur Zufall?), kann ich nur feststellen, dass Sie mich offensichtlich missverstanden haben. Zunächst einmal spreche ich niemals von Schülermaterial! Ich würde aber (leider werden die guten Vorschläge nicht
umgesetzt) eine Einschränkung des AHS-Zuganges zu Gunsten der Hauptschule begrüßen. Wenn Sie der Meinung sind, dass Sozialisierungsarbeit in der Schule einen hohen Stellenwert einnehmen soll, bin ich auf Ihrer Seite. Wenn diese Arbeit jedoch negative Auswirkungen auf die Leistung unserer Schüler hat, d.h. wenn man vor lauter Sozialisierungsarbeit die Lehrziele nicht mehr erreicht , stellt sich für mich ein Problem. Daher muss es erlaubt sein, darüber nachzudenken, wie man in beiden Schultypen das Niveau heben kann. Dass die Änderungen im Lehrerdienstrecht dieses Ziel unterstützen könnte glauben wir ja beide nicht. Es sind in der Schulpolitik während der letzten Jahre sehr viele Fehler passiert!!! Nichts desto Trotz sollten wir aber statt Fundamentalopposition zu betreiben doch diese wenigen Ansätze zur Qualitätssicherung anerkennen. Über Unsinnigkeiten, wie "nur mehr Doktorskinder können zukünftig in die AHS gehen", die eindeutig ideologisch motivierte Aussagen sind, möchte ich jetzt gar nicht reden. Viel eher reden sollte man über die Frage, wie wir unsere Schüler noch besser auf ihre Zukunft in einer Wirtschaft, die sich nicht mit Sozialisierungsarbeit beschäftigt, sondern Leistung abverlangt, besser vorbereiten können. Ich persönlich sehe da bei manchen Schülern meine pädagogischen Grenzen. Daher will ich über dieses Thema reden! Ich kenne übrigens mehrere Kollegen (-innen), die trauen sich mit niemandem darüber zu reden, wenn sie mit ihren Schülern (-innen) Probleme haben. Ein guter Lehrer hat ja keine Probleme! Ich kenne auch mehrere Eltern, die für das Versagen ihrer Kinder nur die Lehrer verantwortlich machen. Dabei wird oftmals nicht einmal am Rande überlegt, ob man sein Kind vielleicht in den falschen Schultyp geschickt hat. Vielleicht denken diese Eltern dabei, dass jeder Schüler bei entsprechendem Einsatz des Lehrerteams das Zeug zum Nobelpreisträger hat. Sehen Sie, dass sind Geschichten aus dem täglichen Schulleben, fernab von Ideologie und Parteipolemik. Schöne Grüße Josef Zwickl (alle genannten Beispiele schon erlebt!)
----- Original Message -----
From: "Günter Wittek"
To: "Roland Czernitc"
Cc: "LF Lehrerforum"
Sent: Tuesday, August 14, 2001 7:22 PM
Subject: LF: Re ( x-te) bildungsdebatte



Lieber Roland,
ich nehme an, dass der Großteil der LF-Teilnehmer erkannt hat, dass hinter diesem fadenscheinigen Vorstoss von Amon, der fälschlicherweise als eine "Bildungsdebatte" bemäntelt wurde, in Wahrheit doch nur die durchsichtige Absicht steckt, ein wenig Unfrieden zwischen Pflichtschul- und AHS-Lehrer zu bringen. Eine seriöse Bildungsdebatte würde an den Lehrinhalten ansetzen, hinterfragen, was Schüler lernen sollen, und unter diesem Blickwinkel die Frage aufrollen, ob die jeweiligen Organisationsformen in der Lage sind, die gestellten Anforderungen zu erfüllen.
Du erinnerst dich aber sicher auch noch an die Debatte im Anschluss an den Artikel in der NZZ über "die individualisierte Profession" unter http://www.nzz.ch/2001/06/19/se/page-article7AT1Q.html
in dem die Autoren von der Uni Gießen nach Auswertung einer repräsentativen Befragung in der Schweiz zu dem Ergebnis kommen, dass die Sozialisationsarbeit in unserer Zeit immer mehr an Bedeutung gewinnt, eigentlich ein unverzichtbarer Bestandteil des Organisationsraumes Schule ist, wenn sie sich ihrer gesellschaftlichen Aufgabe nicht entziehen will.
Daraus können wir doch nur die Forderung ableiten, dass es uns, wenn wir diese Aufgaben einigermaßen zur Zufriedenheit der Schüler, der Eltern, der Gesellschaft erfüllen wollen, sofern dies überhaupt im Rahmen der Schüle möglich ist, so ergibt sich daraus ganz klar und eindeutig die Forderung, dass der in den letzten Jahren eingeschlagene Weg der schrittweisen Anhebung der Klassenschülerzahl nun endlich einmal wieder umgedreht werden muss.
Ich gebe dir recht, dass es mich auch davor ekelt, wenn manche "lieben Kollegen" in Krokodilstränen ausbrechen wegen des heutzutag nimmer so guten "Schüler- materials", aber denen können wir ohnehin nur sagen, dass sie besser Bildhauer als Lehrer geworden wären, dann könnten sie Steine beklopfen. Aber solch
menschen-
verachtender Rede kann man einfach nur deutliche Absagen erteilen, und die Wünsche nach selektiven Prüfungen kann man vernünftigerweise nur scharf zurückweisen.
Ich finde allerdings, dass es zu wenig ist sich damit zu begnügen, nun erleichtert aufzuatmen und zu sagen: Wir haben noch einmal Glück gehabt, dass dieser reaktionäre Schwachsinn nun doch nicht kommt. - Andererseits gehen viele meiner Überlegungen dahin, was nicht alles innerhalb der Schule verbessert werden könnte, aber es erscheint momentan (und wahrscheinlich noch länger) als völlig sinnlos darüber nachzudenken, weil alles, was Geld kostet, von vornherein ohnehin keine Chance auf Verwirklichung hat, und damit wird der momentane Zustand unseres Schulsystems "eingefroren". Eigentlich könnte man somit sagen, dass die Ministerin die konsequenteste Boykottiererin ist, denn sie boykottiert die Weiterentwicklung des österreichischen Schulwesens.
Ob ihr das allerdings bewusst ist?

mfG
Günter Wittek


----- Original Message -----
From: Roland Czernitc
To: lehrerforum
Sent: Thursday, August 02, 2001 10:20 PM
Subject: LF: re,re bildungsdebatte

sg. kollege zwickl,
woher nehmen sie eigentlich die weisheit, dass nur 30% der kinder dem niveau einer ahs unterstufe folgen könnten? die 30% in den bundesländern sind doch resultat von schulpolitik. oder meinen sie, dass dafür biologische grundlagen verantwortlich sind? wie kommen sie überhaupt auf die idee das wiener schulniveau zu bemängeln, und 70% (40% in der Ahs, 30%in pflichtschulen) der wiener schüler zu diskreditieren? wieviele wiener schüler kennen sie denn. oder plappern sie nur die haltlosen politisch motivierten urteile rechter selektionsfanatiker nach? woher wissen sie denn so genau, dass türkisch sprechende kinder das niveau senken? so viel ich weiß, hat sich herr amon noch nicht über die vienna international school oder die bilingualen schulen beschwert. aber natürlich weiss herr amon genau womit er politik machen will. ( ... )


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