Der STANDARD 08 09 01

Prognoseverfahren für Schüler an Nahtstellen
Im STANDARD-Interview: Ministerin Gehrer lässt neue Tests erarbeiten

Standard: Wird dieses Schuljahr ruhiger als das vorige?

Gehrer: Ich erwarte mir ein interessantes Jahr mit Weiterentwicklungen. Wir haben ein sehr großes Programm im Bereich der neuen Technologien. Es gibt ein naturwissenschaftliches Projekt, mit dem erreicht werden soll, dass Wissen nicht nur reproduziert, sondern auch angewandt werden kann. Diskutiert wird außerdem eine Oberstufenreform.

Standard: Muss es eine Qualitätssteigerung bei den AHS geben?

Gehrer: Wir arbeiten derzeit an Leistungsstandards. Diese werden jeder Schule die Möglichkeit zu Feedback geben. Besonders wichtig ist das für die
Nahtstellen: also die vierte Klasse Volksschule und die vierte Klasse Gymnasium und Hauptschule. Im Laufe des Herbstes wird die Arbeitsgruppe im Ministerium erste Vorschläge vorlegen.

Standard: Ab wann bekommen die Schulen Selbsttests?

Gehrer: Vereinzelt geschieht das schon in den Bundesländern. Wir wollen so etwas aber bundesweit zur Verfügung stellen. Das dient natürlich auch zur Elternberatung.

Standard: Wird es zu den diskutierten Aufnahmeverfahren fürs Gymnasium weitere Vorstöße geben?

Gehrer: Wir möchten den Eltern zusätzliche Prognoseverfahren anbieten, damit sie den Stand des Kindes im sozialen, im psychologischen und im Entwicklungsbereich besser beurteilen können. Aber die Schulentscheidung bleibt - wenn die Voraussetzungen stimmen - Sache der Eltern.

Standard: Solange die Hauptschule - so wie in Wien - einen schlechten Ruf hat, wird der Druck, die Kinder ins Gymnasium zu pressen, aber wohl weiterhin groß sein?

Gehrer: Diese generelle Aussage ist falsch. Ich kenne etliche Hauptschulen, die sehr gut arbeiten. Die Frau Stadtschulratspräsidentin Brandsteidl will die Hauptschulen in Wien durch Schwerpunktsetzung aufwerten. Das ist ein guter Weg.

Standard: Werden auch die AHS-Lehrpläne modernisiert?

Gehrer: Im Zuge der Oberstufenreform wird ganz sicher auch bei den Lehrplänen einiges geschehen.

Standard: Könnte in diesem Zusammenhang auch der Fächerkanon verändert werden?

Gehrer: Schulen werden selbstständig Schwerpunkte setzen können. Mir ist außerdem wichtig, dass der Informatikunterricht von der fünften auf die zweite Klasse vorverlegt wird.

Standard: An den höheren Schulen gab es Unmut, weil Klassenvorstände mehr arbeiten müssen.

ehrer: Es gibt das, was die Lehrergewerkschaft seit Jahren verlangt: eine leistungsorientierte finanzielle Abgeltung. Es wird auch immer übersehen, dass wir ab diesem Jahr wieder die pauschalierte Überstunde haben. Das ist ein Plus für die Lehrerschaft.

Standard: Trotzdem wird an einigen Schulen ein Boykott von Landschul- und Sportwochen überlegt.

Gehrer: Die Schulen müssen sich gründlich überlegen, ob sie ihren Ruf bei den Eltern verschlechtern wollen. Die Beherbungsunternehmen haben mir außerdem bereits brieflich mitgeteilt, dass sie riesige Anfragen aus dem süddeutschen Raum haben. Ich bin aber überzeugt davon, dass man irgendwann wieder die rationale Seite einschaltet und sieht, welche Verbesserungen es gegeben hat.

Standard: Wird es noch weitere Sparpakete im Schulbereich geben?

Gehrer: Wir haben für die Schulen Ressourcen, die zwar nicht irrsinnig üppig, aber ausreichend sind, und ich möchte diesen Standard auf jeden Fall die nächsten Jahre beibehalten. Das Budget 2002 ist beschlossen, und da sind keine weiteren Einschränkungen vorgesehen. Jetzt muss es eine inhaltliche Bildungsdebatte geben. (mon/DER STANDARD, Print,8./9.9.2001)


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