OÖN 11 09 01
 
 

Auf dem Rücken der Kinder - eine Ergänzung

 

Teile der Lehrerschaft an höheren Schulen drohen an, keine Schulausflüge, Skikurse und Projektwochen mehr durchführen zu wollen. Als Echo auf diese Ankündigung ertönt ein vielstimmiger Chor, damit werde "auf dem Rücken der Kinder" ein Arbeitskampf ausgetragen.
Das scheint die mehrheitliche Sichtweise zu sein, und jeder, der sich so äußert, hat gute Argumente dafür.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es eine andere Sichtweise auch gibt, welche lautet: Lehrer sind zum Unterrichten da, und wenn sie das gut machen wollen, ist das Aufgabe genug. Wenn Lehrer der Ansicht sind, dass sie darüber hinaus nicht auch noch als Reiseleiter und Truppenbetreuer tätig sein wollen oder können, dann ist das zu respektieren.
Dem Chor, der entsetzt "Nicht auf dem Rücken der Kinder!" ruft, steht eine schweigende Gruppe von Eltern gegenüber, die einen eventuellen Boykott nicht nur negativ sehen.
Erstens gehen Skikurse und Projektwochen, speziell im Ausland, ganz schön ins Geld. Das hat nichts mit Knausrigkeit zu tun - aber Geld pflegt manchmal knapp zu sein, zumal in Familien mit mehreren Kindern.
Zweitens kosten Skikurse und Projektwochen Zeit. Betrachten wir einmal das Schuljahr: Nach den Weihnachtsferien folgen bald die Semesterferien, wieder ein paar Wochen später kommt Ostern, und danach bricht schon langsam der Stress vor dem Finale aus.
Alles das findet statt unter dem Wehklagen über Lehrpläne, die kaum zu bewältigen sind, über die Häufung von Schularbeiten und über Schüler, die beim Büffeln auf eine 55-Stunden-Woche kommen. Da erhöht jede fehlende Woche den Stress, der sich zweifellos "auf dem Rücken der Kinder" niederschlägt.
Drittens entsteht nicht immer der Eindruck, dass Projektwochen etwas gebracht haben. Da können sich die Lehrer bis zum Nervenzusammenbruch engagieren - wenn zwei Dutzend pubertierende Jugendliche so richtig lustig drauf sind, kann es schon passieren, dass Projektziele zweitrangig werden.
Das häufig genannte Argument, dass gemeinsames Reisen und Erleben die Gemeinschaft fördert, in allen Ehren, aber: Wenn sich in einer siebten Klasse noch keine nennenswerte Klassengemeinschaft gebildet hat, wird eine Skiwoche auch nicht viel nützen.
Die Bedeutung von Klassenreisen dürfte durch den allgemeinen Wohlstand in einem Punkt deutlich geschrumpft sein. Vor Jahrzehnten war das für viele noch etwas Besonderes: Erstmals im Leben in ein richtiges Skigebiet kommen! Einmal die Chance haben, ein anderes Stück von der Welt zu sehen und damit seinen Horizont erweitern zu können!
Heute machen die meisten Familien Urlaube, viele Kinder haben schon Flugreisen hinter sich, wenn sie in eine höhere Schule eintreten. Möglicherweise gibt es Kinder, deren Eltern sich nichts von all dem leisten können - aber die können sich dann den Skikurs auch nicht leisten. Oder nur unter großen Opfern, zu denen sie sich gedrängt fühlen.

Niemand will, dass sich Schule nur in der Klasse abspielen soll. Jeder sieht ein, dass Klassenreisen ungleich mehr Spaß machen als schulischer Alltag, und der Spaß sei allen gegönnt.
Andererseits darf man fragen, ob es wirklich Augabe der Schule ist, als Reisebüro und als Zulieferer für Skigebiete aufzutreten. Wenn die Schule das zusätzlich zu ihrer Hauptaufgabe leisten kann, ist's gut. Wenn nicht, werden das bei weitem nicht alle als Unglück empfinden.
Grundsätzlich wirkt sich jede Sparmaßnahme im Bildungsbereich schlussendlich "auf den Rücken der Kinder" aus. Aber im Vergleich zu anderen Problemen, etwa übervollen Klassen, ist ein entfallener Skikurs sicher das kleinere Übel.

 
Ali Grasböck