"Soll der ÖGB zur Durchsetzung seiner Forderungen in Verantwortung für die Zukunft unseres Landes und seiner Menschen notfalls auch gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen ergreifen?"

Dazu zwei Zitate aus dem dieswöchigen PROFIL:

1. Seite 16: "'Zahlen sind Schall und Rauch' - Gerhard Fritz, neuer Chef der Postgewerkschaft, in der ZiB 2 auf die Frage, warum er keine Teilnehmerzahl nennen wolle, ab der die geplante Urabstimmung des ÖGB ein Erfolg ware"

2. Seite 24: "Nach anfänglicher Weigerung, eine Prognose für den Erfolg der Urabstimmung abzugeben, ließ er [= Verzetnitsch] sich schließlich breitschlagen. Sein Ziel sei die Teilnahme von 'mehr als 50 Prozent der Mitglieder'. Diese hohe Latte hat im ÖGB ziemliche Panik ausgelöst. ..."

Mein viertes Zitat stammt aus dem März dieses Jahres, aus dem Fragebogen zur
AHS-Abstimmung: "Die BS-Leitung hat zur Sicherung größtmöglicher Effizienz beschlossen, nur zu solchen Maßnahmen aufzurufen, die von mindestens 50% der gesamten Kollegenschaft und von zwei Dritteln aller Schulen sowie zwei Dritteln der an der Abstimmung teilnehmenden KollegInnen und Kollegen mehrheitlich befürwortet werden."

Sollte jemand bei flüchtiger Lektüre zu dem Schluß kommen: "Nun ja, bei den AHS waren es 50%, und Verzetnitsch will auch 50%, also wo ist das Problem?" so übersieht er zwei
Punkte:

a) Bei der AHS-Abstimmung waren 50% DER GESAMTEN KOLLEGENSCHAFT gefordert, also auch der Nicht-Gewerkschaftsmitglieder. Dort hatte also die Gewerkschaft den Erfolg der Abstimmung von der Teilnahme von ausreichend vielen NICHT-GEWERKSCHAFTSMITGLIEDERN (!) abhängig gemacht. Die Begründung klang ja ganz einleuchtend: Bei allfälligen Kampfmaßnahmen müßten ja, damit diese wirkungsvoll seien, alle mitziehen, also auch die Nicht-Gewerkschaftsmitglieder. - Kann mir irgenwer erklären, warum dieses Argument ein halbes Jahr später seine Gültigkeit verliert? Schließlich wird ja jetzt genauso die Bereitschaft zu "gewerkschaftlichen Kampfmaßnahmen" abgefragt. Konsequenterweise dürfte also jetzt gar keine ÖGB-Urabstimmung stattfinden, sondern es müßte eine Arbeitnehmer-Urabstimmung geben - von der Gewerkschaft organisiert, so wie im Frühjahr an den AHS. (Unter den 7 Fragen ist ja auch keine einzige, die nur Gewerkschaftsmitglieder
beträfe.)

b) Bei der AHS-Abstimmung wurde zusätzlich zur bloßen TEILNAHME auch ein 2/3 Ergebnis für jede einzelne Maßnahme gefordert. Dieser Aspekt wird in der gegenwärtigen Diskussion über die ÖGB-Urabstimmung nicht einmal andiskutiert. Aus den beiden obenstehenden PROFIL-Zitaten ersieht man, daß der Erfolg der Abstimmung bereits im Vorfeld sicherheitshalber über die TEILNAHME und nicht über das VOTUM definiert wird.
Offenbar ist man schon froh, wenn überhaupt wer TEILNIMMT - und Teilnahme heißt ja, daß es reicht, wenn jemand eine einzige Frage mit NEIN beantwortet. Wenn genügend viele Leute so etwas tun, dann ist die Sache ein Erfolg - jedenfalls nach der Logik des ÖGB.

Fazit: Bei der AHS-Abstimmung konnte man den teilnehmenden KollegInnen noch guten Glauben zubilligen - von dem Wahlbetrug hinterher via "Zombie-Schulen" und nachträglich "korrigierten" Zahlen der Wahlberechtigten konnten sie ja noch nichts ahnen - wer sich jetzt aber ein zweites Mal sehenden Auges manipulieren läßt und der Gewerkschaft einen Blankoscheck für die Interpretation des Ergebnisses ausstellt, dem ist nicht mehr zu helfen.

Erich Wallner

P.S. Nimmt jemand Wetten darüber an, wie lange diesmal die Auszählung dauert? - Bei der AHS-Abstimmung war es bekanntlich ein sattes Monat. Wetten, daß es jetzt viel schneller geht? (Warum wohl?)
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