Derzeit gibt es im SPIEGEL ONLINE ein bemerkenswertes Interview mit Johan Galtung zu lesen. Der gesamte Text unter: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,157979,00.html

Mir wesentlich erscheinende Auszüge daraus, um auch gleich mit einigen weit verbreiteten Irrtümern aufzuräumen.

Galtung: "Wenn man Bin Laden tötet, entstehen zehn neue"

SPIEGEL ONLINE: Was ist die angemessene Reaktion auf die Anschläge in den USA?

Johan Galtung: Fünf Dinge sind nötig. Erstens: Denkpause. Zweitens: Dialog.
Drittens: Versuche, zu verstehen, worum es geht. Viertens: Versöhnung. Und fünftens: die Konflikte lösen. Dieses Schema muss punktuell angewandt werden bezüglich Afghanistan, Irak, Palästina/Israel und so weiter. Konkret schlage ich vor, dass Leute wie zum Beispiel Jimmy Carter, Nelson Mandela und Frederik Willem de Klerk mit den Parteien reden, um die Spirale der Gewalt zu vermeiden.

SPIEGEL ONLINE: Meinen Sie islamistische Extremisten würden sich wirklich mit solchen Persönlichkeiten treffen?
Galtung: Absolut. Ich habe einige Kontakte zu diesen Leuten gehabt. Die Bedingung eines Dialogs ist jedoch, dass man ein Minimum über den Islam weiß. Wenn man ihnen zum Beispiel erzählt, das Wort "Dschihad" heiße "Heiliger Krieg", dann schütteln sie ganz einfach den Kopf. Unter Dschihad versteht der gläubige Moslem ganz allgemein die "Anstrengung für die Lehre". Es gibt zwar islamistische Fundamentalisten, die die westliche Fehlinterpretation des Worts Dschihad übernommen haben. Aber das sind Ausnahmen, und selbst diese Leute sind ansprechbar.

SPIEGEL ONLINE: Die westliche Diplomatie hat beim Kabuler Taliban-Regime bisher nicht gefruchtet.
Galtung: Ich war im Februar Vermittler in Afghanistan und habe auch mit Taliban-Leuten gesprochen. Viele Afghanen sind verbittert. Sie sagen, sie haben fünf Millionen Menschen im Krieg gegen die Sowjetunion 1979 bis 1989 verloren. Die Sowjetunion hat sich zurückgezogen. Sie sehen sich als das Land, das die Welt vom Kalten Krieg befreit hat - und niemand im Westen hat sich beim afghanischen Volk dafür bedankt. [ .... ]

SPIEGEL ONLINE: Dennoch müssen die Täter und Hintermänner der jüngsten Anschläge gefunden werden.
Galtung: Ich bin nicht hundertprozentig davon überzeugt, dass Osama Bin Laden und die al-Qaida hinter den Anschlägen in Amerika stecken. Es könnten mehrere Organisationen oder auch andere Gruppierungen sein. Ich glaube zweitens, dass diese Angelegenheit nicht mit einem Krieg zu lösen ist. Selbst wenn man Bin Laden tötete, entstünden zehn neue Bin Ladens. Die Wut ist auf beiden Seiten zu tief in den Massen verankert.




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