Ein Beitrag der PRESSE vom 29 09 01 - das Posting hätte ich fast Herrn Adam gewidmet ;-)
 
Grüße sendet
Timo Davogg
 
 

Die Richtigen vor den Vorhang!

Gutes tun und darüber reden wäre ein besseres Rezept für unser Schulwesen.

Gastkommentar von KURT SCHOLZ

 Der Autor war Amtsführender Stadtschulratspräsident von Wien und ist Bereichsleiter für Wiener Restitutionsangelegenheiten.

Noch vor wenigen Wochen schien ein pädagogisches Armaggeddon unvermeidlich: Massenkündigungen unter den Lehrer werde es geben, die Nachmittagsbetreuung verschwinde ebenso wie die Behindertenintegration und die Begabtenförderung. Gruppenphotos von Lehrerkollegien, auf denen einzelne Gesichter mit dem Zusatz "wird eingespart" durchgestrichen waren, gingen von Hand zu Hand. Auf diese und ähnliche Weise wurden Eltern "informiert" und, zumindest in einer Reihe von Fällen, in Angst und Schrecken versetzt.
Und jetzt? Der angekündigte "heiße Herbst" findet nicht statt. Denn in Wirklichkeit unterscheidet sich der heurige Schulbeginn kaum von dem vergangener Jahre: Die Massenkündigungen sind ausgeblieben, Freigegenstände werden angeboten, die Schulbuchaktion klaglos abgewickelt. Das Schuljahr geht seinen Gang, und der Schule geht es heuer weder besser noch dramatisch schlechter als in den letzten Jahren. Und wer das bezweifelt, sollte sich die Frage stellen, ob es dem österreichischen Schulwesen - trotz Sparkurs - nicht allemal noch besser geht als dem britischen unter einer Labour-Administration.
Dennoch ist das kein Grund, zur Tagesordnung überzugehen: Einsparungen im Bildungswesen sind bei Lehrern und Eltern unpopulär, kein Zweifel. Daß sie allerdings automatisch das Niveau unseres Schulwesens ruinieren, ist Legende. Ein Bildungsnotstand ist nicht zu erkennen.
Denn derzeit wird die Schule leider mehr kaputtgeredet als kaputtgespart. Am Wort sind die Spin-Doktoren des Negativen. Zehntausende idealistische Lehrer haben "Anwälte", die glauben, mit dem Jammern die Herzen der Eltern und Kinder gewinnen zu können. Auch wenn es in den Ohren mancher Standesvertreter blasphemisch klingt: Die Schule ist ein Großbetrieb. Und wenn ein Konzern einsparen muß, dann beginnt er das nicht damit, daß er seine eigenen Produkte bei den Kunden in Frage stellt. Leider herrscht aber im Großbetrieb Schule immer noch die fatale Annahme vor, daß der der beste Lehrervertreter sei, der am lautesten jammert.
Einsparungen im Schulwesen müssen keinen Niveauverlust bedeuten. Und unsinnig ist, daß nur höhere Budgetausgaben automatisch den Bildungsstandard steigern. Für das Niveau des Unterrichts sind auch andere Faktoren wichtig - etwa interessierte Eltern, der Fleiß und die Genauigkeit der Schüler, ein engagierter Lehrkörper und, für die weniger Engagierten, eine verpflichtende Fortbildung außerhalb der Unterrichtsstunden. Das Raunzen, sei es über Einsparungen oder eine lethargische Schulverwaltung, hat noch nie etwas gebracht. Derzeit braucht die Schule eine Sympathiewerbung und nicht ein Kaputtreden. Gutes tun und darüber reden wäre ein besseres Rezept als die Absage von Skikursen, Sportwochen etc. - also all dem, was Kindern Freude macht und die Gemeinschaftserziehung fördert. Ein Boykott macht die Schule nicht schöner - er macht auch viele gewerkschaftliche Lehrerpositionen nicht populärer.
Die Richtigen gehören vor den Vorhang: Wir müssen zeigen, wieviel Idealismus die Lehrer aufbringen. Ihnen gehört unser Applaus. Sie verdienen für ihre Schulen auch steigende Schüleranmeldungen.
Jenen aber, die glauben, mit dem Jammern taktieren zu können, wird auch eine marktkonforme Antwort zuteil werden - in Form sinkender Anmeldezahlen. Der Bildungsmarkt ist eröffnet - die Idealisten und Tüchtigen im Lehrberuf scheuen ihn schon jetzt nicht. Sie werden - und sollen - sich durchsetzen.