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30202


01.10.2001
20:12 MEZ
Gehrer is watching you
Ministerin plant Nutzung von Volkszählungs-Daten für "personenbezogene Bildungsevidenz" - Herbe Kritik der ARGE Daten

Wien - Die "Österreichische Gesellschaft für Datenschutz - ARGE Daten" schlägt Alarm: Im derzeit verschickten Entwurf der Bildungsministerin Gehrer zu einem "Bundesgesetz zur Dokumentation des Bildungswesens" sei geplant, die anonym erhobenen Volkszählungsdaten zur "Erstbefüllung für eine personenbezogene zentrale Bildungsevidenz" zu verwenden. Die "ARGE Daten" lehnt in ihrer Stellungnahme den Entwurf aus grundsätzlich verfassungs- und datenschutzrechtlichen Gründen vollständig ab und warnt vor möglichen Missbrauchsmöglichkeiten. Die Volkszählungsdaten und ihr "Gebrauch" Der Obmann der ARGE Daten, Dr. Hans Zeger, hält den Entwurf für einen
verfassungs- und datenschutzrechtlichen Alptraum. "Neben einer Fülle von Detailproblemen hat Frau Bundesministerin die Unverfrorenheit, den direkten Zugriff auf die Volkszählungsdaten zu verlangen. Unsere Befürchtungen über Missbrauchsmöglichkeiten der Volkszählungsdaten werden bestätigt." Zentrale Evidenz Durch die zentralisierte Sammlung von Informationen, wie "festgestellter sonderpädagogischer Förderbedarf", "individueller Bildungsverlauf" und "andere mit dem Schulbesuch zusammenhängende Daten" ist die lebenslange Speicherung und Überwachung schulischer Vorkommnisse geplant. Erst 60 Jahre nach der letzten Eintragung soll dann mangelhaftes Betragen in der Volksschule gelöscht werden können. Berücksichtigt man die Schulpflicht von 15 Jahren, dann ergibt das eine Mindestspeicherdauer von 75 Jahren. "Selbst Kriminelle haben nach wenigen Jahren Anspruch auf Tilgung von Straftaten aus dem Strafregister" meint Zeger. Die Bedeutung der Formulierung "andere mit dem Schulbesuch zusammenhängende Daten" sei aus der Vergangenheit der Schülerbeschreibungsbögen hinlänglich bekannt, so die ARGE Daten. "Lehrer und Direktoren hätten so die Möglichkeit vorschnelle Urteile, Vorurteile und Auseinandersetzungen zum Schaden der Schüler für alle Zeiten zu verewigen." Totalitärer Überwachungsanspruch Die zentrale Bildungsevidenz soll im Zuge der Amtshilfe Polizisten, Gemeindebeamten, Arbeitsmarktbetreuern und Steuerbeamten zur Verfügung stehen. Weiters sei geplant die Daten mit Hilfe der Sozialversicherungsnummer mit beliebigen anderen Informationen zu vernetzten. Diese Vorhaben, so die ARGE Daten, finden sich typischerweise in autoritären Staatsstrukturen, die in Vorbereitung staatlich gelenkter Maßnahmen, Überblick über verfügbare personelle, wirtschaftliche und finanzielle Ressourcen benötigen. "Zuletzt erfolgten in Mitteleuropa derartige Bevölkerungsinventuren als Kriegsvorbereitung durch die Nationalsozialisten." Verletzung der Verfassung Die ARGE Daten erklärt, dass der gesamte Entwurf einer zentralen Bildungsevidenz der EU-Richtlinie zu Datenschutz und den Verfassungsbestimmungen des DSG 2000 widerspricht. Es ist unzulässig, so die Datenschützer, dass eine Behörde mehr Daten erhebt oder speichert, als sie für ihre Arbeit unbedingt benötigt. Mit der Erhebung von Beruf und Berufslaufbahn der Eltern und der Ausbildung der Geschwister, ermögliche dieses System auch die Auferstehung von Sippenhaftung. Die Bildungsevidenz erfülle keinerlei bildungspolitische Aufgaben, sondern stelle bloß ein neues Kontrollregister der Bevölkerung dar.
VSSTÖ-Schiessl: "Völlig grotesk"
Als "völlig grotesk" bezeichnete die VSSTÖ-Vorsitzende Eva Schiessl die Gehrer-Vorschläge. "Was sollen PolizistInnen, Gemeindebedienstete, SteuerfahnderInnen und ArbeitsmarktbetreuerInnen mit der Information anfangen, dass Lisi Huber in der zweiten HTL-Klasse öfter zu spät gekommen ist oder Maria Maier eine negative Note auf eine Seminararbeit auf der Uni bekommen hat?", so Schiessl. Schlimmer als die Absurdität des Gesetzesvorschlage sei allerdings die Verletzung des Datenschutzes der Menschen.
Bundesministerium: "Überzogene Kritik"
Der Pressesprecher der Ministerin, Ronald Zecha, erklärte gegenüber derstandard.at, dass die Kritik überzogen sei, die Daten wären jetzt auch schon vorhanden, sie würden lediglich statistisch ausgewertet. Das Ministerium brauche gute Bildungsplanungsdaten um eine vernünftige Bildungspolitik und in weiterer Folge auch eine entsprechende Arbeitsmarktpolitik zu gewährleisten.
(red/MS/apa)
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hereingestellt von ®onald Eidenberger


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