Liebe KollegInnen!

Nun ist es soweit! Die solidarisch denkenden Lehrer stehen jetzt schon wie die gewaschenen Pudel da. Es scheint den den DirektorInnen, jüngere und "weniger erfahrene" KollegInnen zu "gewinnen", die verschiedensten Aktivitäten trotz einstimmiger Boykottabmachungen zu organisieren und durchzuführen. Mit Heißhunger stürzen wir uns drauf, endlich wieder was tun zu dürfen, was einfach unbezahlbar ist: Mit Enthusiasmus mit Schülern in die abendliche Theatervorführung zu gehen, mit Freude und positiver Ausstrahlung einen "Tag der offenen Tür" durchzuführen, die Kontakte für eine Berufsberatungsmesse herzustellen und noch vieles mehr. (Es ist ja alles so wichtig für das Schulimage!) Stimmt ja auch: Jahrzehnte lang haben die KollegInnen sich engagiert, um aus den vielen Ideen und Projekten allgemein hochgeschätzte Schulveranstaltungen werden zu lassen. Und jetzt hätte das alles verloren gehen sollen? Ja, und wäre es solidarisch geschehen, dann hätte der Boykott die Wirkung vielleicht auch gehabt, die man sich erwartete. Aber nun???

Nun aber stehen die Leibeserzieher alleine da: Sie dürfen nun wohl nicht einfach trotz allem einen Extra-Schikurs, auf den sich die Zweitklassler schon so gefreut haben, organisieren. Das wäre eine zu auffällig Entsolidarisierung und würde wohl als parteipolitische Profilierungssucht interpretiert werden. Sie müssen aber gewärtig sein, dass sie für ihre "Borniertheit" bald den Kopf ordentlich gewaschen bekommen, denn, wie man sieht, sind die österreichischen LehrerInnnen doch wirklich "gut" und "brav" und "fleißig", wie unsere Bundesministerin ja nie aufgehört hat zu behaupten und denen Rupert Ehrenfellner in seinem unten zitierten Gastkommentar huldigt. Die aber, die es wagen ihre KollegInnen an solidarische Abmachungen zu erinnern, sind wohl bloß die unverbesserlichen und schwarzen Schafe, die es ja immer und überall gibt. Wie ungerecht kann diese Welt noch werden.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Kreißl

ZITAT
GASTKOMMENTAR VON RUPERT EHRENFELLNER
Der Autor ist Musiklehrer an der Neulandschule Wien-Grinzing.

Darin, daß wir Lehrer viel leisten, und daß diese Leistung in keinem Verhältnis zur emotionalen und pekuniären Entlohnung steht, sind wir uns alle einig. Diverse spitze Zungen aus anderen Berufsgruppen sollen einmal ein Wochenende mit Schularbeitsheften verbringen und darauf achten, daß beim 29. Heft stilistische Nuancen zu finden sind, die im 2. Heft bescheidener ausgefallen waren etc., oder sich in den Musiksaal stellen und sechs Stunden lang Gruppen von knapp 30 Kindern gut unterhalten, denn der Unterricht soll lustig sein, gleichzeitig für Disziplin sorgen, und ihnen natürlich etwas beibringen. Ich wünsche viel Spaß! Wir Lehrer sind fassungslos, daß unser ohnehin bescheidener Lohn tatsächlich gekürzt wird, anstatt erhöht, was uns logisch erscheinen würde angesichts der anspruchsvolleren Arbeitssituation im Vergleich zu vergangenen Jahrzehnten. Aber wie reagieren wir darauf? Indem wir nicht müde werden überall zu erzählen, wieviel und wie schwer wir arbeiten; indem wir kleinere Arbeiten, für die wir nicht bezahlt werden, nicht mehr ausführen; indem wir schließlich Aktivitäten, die nebenbei anderen Geld bringen, unterlassen, um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen. In anderen Sparten ist es eine Binsenweisheit: zuerst das Image, dann der Lohn. Aber Image läßt sich nicht verordnen. Man kann nicht verlangen: "liebe mich!" Man kann nur versuchen, sich attraktiv zu machen. McDonald's startete eine Image-Kampagne. So etwas bringt in der Folge vielleicht Geld, zunächst kostet er jedoch. Es wurde verkündet, daß heimisches Fleisch und heimische Kartoffeln verwendet würden, es wurden vegetarische Produkte angeboten, in Broschüren wurde dargestellt, wie biologisch und ökonomisch es sei, bei McDonald's zu konsumieren. Wir Lehrer müßten ein- für allemal aufhören, über Geld, über Arbeit, und über das, was wir leisten, zu reden! Wir müßten fest entschlossen sein, nicht uns selbst, sondern unsere Schulen und Schulklassen und deren Leistungen zu präsentieren. In positivem und modernem Sinn. Denn das sind ja auch unsere Leistungen. Unser oberstes Ziel sollte nicht sein, zu verhindern, daß wir 10.000 bis 20.000 Schilling pro Jahr weniger verdienen, sondern uns dafür einsetzen, daß sich unser Image wieder vom Boden erhebt und einen Wert erreicht, auf den wir gemeinsam mit unseren Schülern stolz sein können. Das wird uns zunächst Geld und Kraft kosten, und es kann unter Umständen mehr als nur ein paar Jahre dauern; meiner Meinung nach ist es jedoch unsere einzige Chance, denken wir weiter, als unsere Nasen lang sind. Nicht nur viele, sondern alle Lehrer müssen sich verantwortlich fühlen, nicht unbedingt durch mehr Arbeit, aber durch intelligentere Arbeit, welche durch permanentes Infragestellen entsteht, das Bild und den Ruf der Schule entscheidend zu verändern - und zwar zum Besseren. Die Tatsache, daß wir uns zum Protest aufgeschwungen haben, zeigt, daß wir Rückgrat besitzen und daß wir nicht alles über uns ergehen lassen. Jetzt aber ist der Zeitpunkt, da wir erkennen müssen, daß sich ein Protest ohne Image nicht erfolgreich führen läßt, bzw. daß der Schuß nach hinten losgeht. Haben wir unser Image erst einmal erobert, dann werden wir sehen, daß unsere Position am Verhandlungstisch eine andere ist, und daß wir von Politik und Öffentlichkeit auch anders behandelt werden. Streichen wir nicht all unsere Projekte, sondern machen wir dreimal so viel davon wie zuvor!


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