Günter Wittek schrieb:
>
> S.g. Koll. Wallner
>
> Ich schließe mich ihrer Vorgangsweise an und gehe auf einige Argumente
> an der betreffenden Stelle ein. Vorweg an die möglicherweise
> "diskussionsmüden" LF-Teilnehmer. Ich halte es für wichtig, über mehr
> oder weniger Staat auch in unserem Forum nachzudenken. Daher
> entscheide ich mich für die Antwort via LF anstatt einem privaten Re.
>
E.W.: S.g. Kollege Wittek! - Aus Platzgründen kürze ich wieder. Ich stimme Ihnen zu, daß wir uns für dieses Thema im LF nicht rechtfertigen müssen - schon aus formalen Gründen nicht. "Politische Bildung" ist in Ö bekanntlich ein Unterrichtsprinzip und seit neuestem (in der AHS) sogar ein (Teil-)pflichtgegenstand; in den BMHS wiederum geht es sowieso um die Wirtschaft.
>
> G.W.: Die Verstaatlichte in Österreich ist gescheitert, weil die
> Verantwortlichen es für richtig befunden haben, in diesen Betrieben
> fast nur Halbfertigprodukte herzustellen. Daher haben die Gewinne
> andere Unternehmen eingefahren, der Staat hat indirekt den privaten
> Sektor subventioniert und dort stolze Gewinne erst ermöglicht. Dieser
> Fehler soll natürlich nicht wiederholt werden.

E.W.: Die Halbfertigprodukte alleine werden es wohl nicht gewesen sein, sonst könnte man nirgendwo ein Stahlwerk profitabel führen. - Aber selbst wenn Sie damit recht haben, dann bestätigen Sie ja nur meine Bedenken gegen einen "patscherten Finanzminister" - in diesem Fall halt eine Polit-Kreatur an der Spitze eines verstaatlichten Betriebes, dem noch dazu ein Minister oder gar der Bundeskanzler (Kreisky) persönlich hineinregiert. Was war denn Ihrer Meinung nach der Grund, warum die "Verantwortlichen" (wen meinen Sie damit genau - alle jene, die anschafften, also auch die Politiker?) auf Halbfertigprodukte setzten?

> G.W.: - Aber dies ändert nichts an
> der Kritik der freien Marktwirtschaft, denn sie bewirkt, dass eine
> kleine Gruppe - nahezu unverhofft und "unverschuldet" - extreme
> Gewinne ein- fahren kann, während die große Zahl der Lohnabhängigen
> diesem System relativ ohnmächtig ausgeliefert ist.

E.W.: Sie stellen es so dar, als ob ein Unternehmer, der reüssiert, dies moralisch gar nicht verdiene. (Ihr Satz taugt viel eher als Argument für die Abschaffung von Lotto, Toto, Sportwetten und ähnlichen populären Lebenslügen.) Ein Blick auf die Insolvenzstatistik oder in die Wiener Zeitung jeden Montag belehrt uns eines anderen.

> G.W.: Der Staat hat daher wenigsten die
> Schuldigkeit, die Zahl der Arbeitslosen möglichst gering zu halten
> durch ausgleichende konjunkturpolitische Maßnahmen, Unterstützung bei
> der Schaffung neuer Arbeitsplätze, Umschulungen und durch eine
> anständige Versorgung der Arbeitslosen.

E.W: Das ist schon richtig, aber das kann nicht dadurch finanziert werden, daß man von der Gans, die die goldenen Eier legt, auch noch das Fleisch essen will. Wenn der Finanzminister einem Unternehmer die Gewinne, die er in guten Zeiten macht, brutal wegsteuert, dann wird es a) bald keine Unternehmer mehr geben, die sich den Stress antun (siehe
Insolvenzstatistik) und b) wahrscheinlich auch nicht mehr viele Unternehmen, die schlechte Zeiten überleben, weil der Finanzminister seine Mehreinnahmen in der Zwischenzeit für den Kinderscheck verplant hat und ihnen auch nicht mehr helfen kann.

> G.W.: In der liberalen "freien Markwirtschaft" sieht es aber
> bekanntlich so aus, dass Bekämpfung der Arbeitslosigkeit mit
> Bekämpfung der Arbeitslosen gleichgesetzt wird.

E.W.: In unserer alles anderen als freien Marktwirtschaft sieht es so aus, daß ein Installateur, der bei der Montage einer Waschmuschel ein paar Fliesen ruiniert, diese nicht selber wieder anpicken darf, weil er sonst als Pfuscher gilt. Voriges Jahr im Urlaub habe ich in einem kleinen Tiroler Bergdorf (Scheffau) gesehen, wie ein praktischer Arzt seine Praxis zwei Kilometer abseits vom Ortszentrum errichten mußte, weil er sonst mit seiner angeschlossenen Hausapotheke in die geografische Schutzzone einer bereits bestehenden Apotheke einer Nachbarortschaft gekommen wäre (offenbar wird da mit dem Zirkel ein Kreis auf der Landkarte gezogen). Jetzt müssen alle Patienten zu ihm hinauspilgern. - Hier sehe ich einen gewaltigen Reformbedarf in Kakanien, gerade, weil man den "Markt" nicht arbeiten läßt.

> > G.W.: Denn in Zeiten steigender Kurse besteht keine Notwendigkeit zu
> > einer Korrektur des Wirtschaftsverhaltens, denn der Erfolg gibt den
> > Verantwortlichen ja recht.

E.W.: Wieder verweise ich auf die Insolvenzstatistik. Die KONSUM-Pleite z.B. fand "in Zeiten steigender Kurse" statt - und reicht im Übrigen in ihren Wurzeln weit in die Vergangenheit zurück, schon in frühere Boomphasen, wo sehr wohl eine Korrektur des Wirtschaftsverhaltens angebracht gewesen wäre.


> G.W.: Zu den Aktionären: Manche halten ihrem Unternehmen die Treue,
> schauen auf die Finger. Aber das von da nach dort hin fluktuierende
> Kapital, das jener Anleger, die kurzfristig den größtmöglichen Gewinn
> haben wollen, wird immer größer. Und hier sollte ein Gegensteuern
> möglichst bald einsetzen, zum Wohle von uns allen.

E.W.: Ich dachte z.B. an Pensionsfonds. - Wenn Sie Ihre Position ("mehr Staat, weniger
privat") konsequent durchhalten, müßten Sie auch gegen Pensionsfonds sein, weil die ja an der Börse veranlagen und somit Lakaien des Kapitalismus sind. - Hat Sie der Herbst 1997 (zur Erinnerung - weil wir jetzt gerade wieder einen Gewerkschaftstag haben) noch immer nicht davon überzeugt, was für einen windigen Partner in Sachen Pension wir im (Stief-)vater Staat haben - von unserer eigenen Gewerkschaft ganz zu schweigen? Wo aber sehen Sie in Ihrem Modell die Alternative für eine auskömmliche Pension, wenn der Staat sogar für Beamte als Garant nachweislich ausfällt?

MfG Erich Wallner
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