Lieber Kollege Wittek!
> Günter Wittek schrieb zu einem Standard-Bericht über
> Gewerkschaftsfusionen:
>
> Hier sehen wir, dass im ÖGB die GÖD keine begehrte Braut ist. ...
Ich glaube, die GÖD geht deshalb nicht auf Partnersuche, weil es keinen Sinn hat, mit Gruppen zusammenzugehen, die oft sogar gegensätzliche Interessen haben.
Ein Beispiel dazu:
Während öffentlich Bedienstete gerne wieder einmal eine ordentliche Gehaltserhöhung hätten, liegt es im Interesse anderer Arbeitnehmer, dass wir eine solche nicht bekommen, denn unsere Gehälter werden ja aus Steuergeldern bezahlt. Die Gesamtheit aller Steuerzahler ist gewissermaßen unser Arbeitgeber - schließlich arbeiten wir ja auch im öffentlichen Interesse und nicht für eine Privatfirma. Vergessen wir nicht, dass die Regierung (und nicht nur die jetzige) regelmäßig während unserer Gehaltsverhandlungen den Neid anderer Arbeitnehmer schürt, indem sie über die Medien verbreiten lässt, wie viele Milliarden "den Steuerzahler" jedes Prozent Gehaltserhöhung kostet.
Es ist daher nicht verwunderlich, dass auch die Arbeiterkammer immer wieder gegen angebliche Privilegien der Beamten polemisiert.
Wir wären schlecht beraten, unsere Gewerkschaft mit Gewerkschaften anderer Branchen zu fusionieren. Wir sollten uns unter dem gemeinsamen Dach des ÖGB eine gewisse Eigenständigkeit bewahren. Die ursprüngliche Idee von ÖGB-Präsident Verzetnitsch, die den Überlegungen zur Neuordnung des ÖGB vorangegangen ist, war: Alle, die denselben Arbeitgeber haben, sollen auch von derselben Gewerkschaft vertreten werden. Das ist beim Dienstgeber Staat ohnehin der Fall.
Oder kann sich im Fall einer Fusion jemand vorstellen, dass etwa Metallarbeiter auf die Straße gehen würden, weil wieder einmal eine Regierung ein Sparpaket auf dem Rücken der Beamten finanziert, statt die Belastungen gleichmäßig auf alle aufzuteilen? Wenn es so wäre, dann könnte eine Fusion auch in unserem Interesse sein, dann würde unsere Gewerkschaft durch eine Fusion tatsächlich schlagkräftiger.
Wenn die anderen so fusionieren, wie in den letzten Tagen berichtet wurde, wird die GÖD nicht mehr die zweitgrößte, sondern die drittgrößte Teilgewerkschaft sein. Ist das schlimm? ORF Teletext berichtet heute schon von 3 großen Blöcken im ÖGB, einer davon ist die GÖD. Wir haben es nicht notwendig, in Panik zu geraten.
Abschließend zum "lahm und zahm" (aus Ihrer Betreffzeile): Es entspricht der Strategie jener, die eine neue Gewerkschaft gründen, die alte als "lahm und zahm" hinzustellen und dabei zu verschweigen, dass die Gesetze immer noch das Parlament - meist auf Antrag der Regierungsparteien - macht und nicht die Gewerkschaft. In Sparzeiten wie diesen ist ein Kompromiss meistens das Beste, was herauszuholen ist. Hätten die Regierungen der letzten 30 Jahre weniger Schulden angehäuft, dann wäre jetzt vieles einfacher.
In dieser Legislaturperiode ist einiges ohne Zustimmung der Gewerkschaft beschlossen worden. Trotzdem ist mir eine Gewerkschaft am Verhandlungstisch lieber als eine, die das Land, bildhaft gesprochen, in Flammen setzt (wie der Vorsitzende einer anderen Teilgewerkschaft angedroht hat, übrigens ohne mit dieser Drohung seine Anliegen durchsetzen zu können) - auch auf die Gefahr hin, dass jemand unterstellt, die Gewerkschaft wäre zu zahm.
Das einzige, was man der GÖD m.E. in letzter Zeit wirklich vorwerfen kann, ist die Zustimmung zur letzten Gehalts"erhöhung". Für die schlechter bezahlten Teile innerhalb der GÖD war sie eine echte Erhöhung, wir haben ihnen durch den Fixbetrag diese Erhöhung finanziert. Es ist kein Zufall, dass gerade die Akademiker-Sektionen (AHS, BHS, Staatsanwälte und Richter) nicht zugestimmt haben. In diesem Fall haben Interessengegensätze zwischen unterschiedlichen Sektionen eine effektive Vertretung unserer Interessen verhindert. Nach einer Fusion mit anderen Gewerkschaften würde uns Ähnliches viel öfter passieren.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Friebel
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