Unterrichtshinweis für unsere Erziehung zum Wahren, zum Guten und zum Schönen? (auf LF-Verteiler konforme Länge gekürzt, unten URL zum gesamten Artikel) _______________________________________________________________
Aus der FTD vom 22.10.2001 www.ftd.de/milzbrand
Terror-Folgen: Dubiose Heilsbringer
Von Ulrike Sosalla, New York
Die US-Regierung braucht schnell Impfstoffe gegen Milzbrand und andere Biowaffen - und vertraut dabei auf Firmen, die bislang hauptsächlich Skandale produzierten.
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Pharmariesen halten sich raus
Doch so unkompliziert, wie es die Politiker darstellen, ist die Sache nicht. Die Produktion von Impfstoffen gegen Biowaffen ist kein Massenmarkt, die großen Pharmakonzerne meiden das Geschäftsfeld, als fürchteten sie Ansteckungsgefahr. So vertraut die Regierung die nationale Gesundheit wohlgemut höchst zweifelhaften Unternehmen an, denen sie bislang allenfalls die Herstellung einer Kopfschmerztablette zugebilligt hätte. Firmen, die mitunter am Rande des Abgrundes wirtschaften, zum Teil keine Lizenz haben und nicht mal den Nachweis erbracht haben, dass ihre Impfstoffe schützen. Das einzige Unternehmen, das Produktionsanlagen für ein Anti-Milzbrand-Serum besitzt, ist Bioport im US-Bundesstaat Michigan. Im Jahr 1997 erhielt das damals noch staatliche Michigan Laboratory in Lansing eine Exklusiv-Lizenz des Pentagon, um Impfstoff gegen Milzbrand für 2,4 Millionen US-Soldaten herzustellen. Auftragswert: 66 Mio. $. Doch schon Anfang 1998 verlor das Labor die Produktionslizenz wieder, nachdem die Aufsichtsbehörde FDA (Food and Drug Administration) schwerwiegende Qualitätsmängel festgestellt hatte.
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Ohne Lizenz
Die Firmengeschichte ist bislang ein Fehlschlag auf der ganzen Linie. Noch immer hat Bioport seine Lizenz nicht wieder zurück und darf seine Produkte nicht auf den Markt bringen. Bis heute moniert die FDA Mängel bei den renovierten Anlagen. Das Unternehmen, das außer dem Milzbrand-Impfstoff lediglich eine kleine Produktionslinie für einen Tollwut-Impfstoff hat, macht kaum noch Umsatz und arbeitet seit Mitte 1999 am Rande der Zahlungsunfähigkeit.
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Schwere Nebenwirkungen
Die US-Regierung beschloss, sich an einen weiteren Hersteller zu wenden. An die Firma Dynport erging der Auftrag, einen Impfstoff der zweiten Generation zu entwickeln. Entscheidend dafür war nicht nur, dass dem Verteidigungsministerium die Vorräte auszugehen drohten. Hinzu kam der Verdacht, dass der verwendete Impfstoff, wie er auch von Bioport produziert werden sollte, den Körper stark belastet. Die geimpften Soldaten klagten über schwere Nebenwirkungen bis hin zur Dienstunfähigkeit. Zudem fehlt nach einem FDA-Gutachten der sichere Nachweis, dass das Serum überhaupt gegen den gefährlichen Lungenmilzbrand wirkt.
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Wundersame Auftragsvergabe
Das Pentagon suchte sein Heil erneut in einer neuen Auftragsvergabe: Künftig soll auch das britisch-amerikanische Unternehmen Acambis einen Pocken-Impfstoff liefern. Vergangene Woche stockte die US-Regierung ihre Bestellung von 40 auf 54 Millionen Dosen auf. Bereits nächstes Jahr könne das Mittel geliefert werden, sagte daraufhin Firmensprecherin Lindsay Wright, zwei Jahre früher als geplant.
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Mittlerweile ist Acambis auch an der Börse gut gelitten: Der Kurs der Aktie stieg in London seit Ende September von etwa 120 auf über 219 Pence. Der in den USA gelistete Zulieferer Bioreliance, der sowohl für Acambis als auch für Dynport die Produktion von Impfstoff übernommen hat, verdoppelte seinen Kurs von 14 auf 28 $.
Anleger hoffen auf Massenmarkt
Die Investoren hoffen, dass der bisher auf Verteidigungsministerien beschränkte Markt für Biowaffen-Impfstoffe durch die Milzbrand Briefe zu einem Massenmarkt werden könnte. Nur dann nämlich ließen sich die großen finanziellen Risiken dieser Produkte umgehen, die bisher die meisten Pharmakonzerne fernhalten: die Abhängigkeit von einem einzelnen Auftraggeber und der Imageschaden durch die Verbindung zu Biowaffen.
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Diese Kunden sind nun da. Tausende besorgter Amerikaner erkundigten sich in den vergangenen Wochen bei den Gesundheitsbehörden nach Impfungen gegen Milzbrand. Alles, was Bioport noch zurückhält, ist das Fehlen einer Lizenz. Doch das Unternehmen darf mehr hoffen, denn je, dass sich die Bedenken der Behörden auf wundersame Weise zerstreuen. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ist zuversichtlich: "Wir suchen derzeit, woher wir Hilfe bekommen könnten, damit sie ihre Leistung verbessern."
© 2001 Financial Times Deutschland
URL des Artikels: http://www.ftd.de/pw/in/FTDM5HHN2TC.html
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