Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Heute gab es im Lehrerforum einige Diskussionsbeiträge zu einem Leitantrag zum Thema Bildung, der vor kurzem auf dem Gewerkschaftstag beschlossen wurde (gegen 2 Stimmen der ÖLI-UG).
Dabei hatte ich den Eindruck, dass manche Kommentatoren beim Interpretieren des Textes eher den Kommentar des vorigen Diskussionsteilnehmers kommentierten als den Originaltext. Ich möchte daher nochmals die betreffende Passage des Leitantrags in Erinnerung
rufen:
Ich zitiere wörtlich den Beginn des mehrheitlich beschlossenen
Leitantrages:
"Um sowohl den Bildungs- und Wirtschaftsstandort Österreich zu erhalten und zu stärken, als auch zur Festigung und Vertiefung demokratiepolitischer Werte sind Investitionen in Bildung und Erziehung unerlässlich.
1) Es wird daher gefordert, dass die ausreichenden personellen und ausstattungsmäßigen Ressourcen bereitgestellt werden, um allen lern- und ausbildungswilligen jungen Menschen und darüber hinaus allen weiterbildungswilligen Mitbürgern im Sinne des lebensbegleitenden Lernens entsprechend moderne öffentliche und unentgeltliche Bildungs- und Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden.
2) Um innovativ pädagogisch arbeiten zu können, wird eine Absenkung nicht nur der gesetzlichen, sondern auch der effektiven Klassenschülerhöchstzahlen und Gruppengrößen gefordert. ..."
Hinter dieser Formulierung steht offensichtlich der Gedanke, der Staat habe die Aufgabe, jedem, der lernen will, eine moderne Bildung und Ausbildung (beides!) zu ermöglichen und diese auch ausreichend zu finanzieren - ein Gedanke, den ich voll und ganz unterstütze.
Selbstverständlich ist es auch eine wichtige Aufgabe der Schule, bei den Schülern das Bewusstsein für die Wichtigkeit der Bildung zu wecken, damit möglichst alle zu "lern- und ausbildungswilligen jungen Menschen", wie es im Antrag heißt, werden. Doch von dieser unserer Aufgabe ist im Antrag nicht die Rede, weil er - wie bei einem Leitantrag einer Gewerkschaft üblich - Forderungen an den Dienstgeber, sprich die Regierung, zum Thema hat. Die Forderung, bei Schülern das Bewusstsein für die Wichtigkeit der Bildung zu wecken, würde sich hingegen primär an uns Lehrer (und an die Gesellschaft als Ganzes - aber eine Verbesserung der Einstellung der "Gesellschaft" zur Bildung muss wohl ein langfristiges Ziel sein) richten und wird sich daher naturgemäß eher in einer pädagogischen Schrift oder in einer Beschreibung unseres Selbstverständnisses als Lehrer finden.
Den Antragstellern zu unterstellen, Ziel des Antrages wäre es, Jugendliche als nicht lernwillig zu stigmatisieren, kommt mir sehr an den Haaren herbeigezogen vor. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier jemand den Antrag so durch die Ideologie-Brille betrachtet hat, dass er die Intention des Antrages missverstanden hat.
Die Textpassage von den "lern- und ausbildungswilligen jungen Menschen", die Koll. Fuchsbauer angeführt hat, war ja auch nicht der alleinige Grund für die Ablehnung des Antrages durch die ÖLI-UG. Mir sticht da vor allem folgende Forderung ins Auge (ich zitiere wieder wörtlich aus dem
Antrag):
"3) Um für die Schüler optimale Bildungs- und Ausbildungswege sicherzustellen, werden Maßnahmen gefordert, um Problemfelder im Bereich der Nahtstellen Übergänge zwischen Schulstufen und Schulformen unter Beachtung regionaler Erfordernisse zu vermeiden bzw. zu minimieren. Dabei soll es auch zur Wahrung und zur Hebung des Gesamtniveaus im Bildungswesen kommen."
In dieser Forderung kommt m.E. eine Ablehnung der Ideologie der Gesamtschule (die von der ÖLI-UG bekanntlich gefordert wird) zum Ausdruck, und Koll. Sellner hat ja auch auf dem Gewerkschaftstag als Redner der UG heftig dagegen gewettert und den Antragstellern unterstellt, sie wollten MigrantInnenkinder und Behinderte diskriminieren und ein System wie in den USA einführen, wo die Höhe staatlicher Zuschüsse im "privatisierten Schulwesen" sich nach den Ergebnissen eines externen Controllings richten. Diese Argumentation hat nur einen Haken: Sie richtet sich gegen etwas, was weder im Antrag steht noch den Intentionen der Antragsteller entspricht. Kein vernünftiger Mensch (gleichgültig ob in der FCG, der UG, in einer anderen oder in gar keiner Fraktion) will Kinder wegen ihrer Herkunft diskriminieren oder jene Zustände einführen, die im Schulwesen der USA herrschen. Ich glaube, bei der Ablehnung der Art, wie in den USA das Schulwesen finanziert wird, sind wir uns einig.
Ein Unterschied besteht aber doch zwischen den Fraktionen: Die FCG lehnt auch die Gesamtschule ab, die nicht nur in den USA zu einem deutlichen Verlust des Bildungsniveaus beigetragen hat. Wir müssen nicht jeden Unsinn nachahmen.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Friebel
Der Leitantrag im Originaltext (wie er beschlossen wurde, zitiert aus einem Mail von Reinhart Sellner):
> Leitantrag 11: Bildung
>
> Um sowohl den Bildungs- und Wirtschaftsstandort Österreich zu erhalten
> und zu stärken, als auch zur Festigung und Vertiefung
> demokratiepolitischer Werte sind Investitionen in Bildung und
> Erziehung unerlässlich.
> 1) Es wird daher gefordert, dass die ausreichenden personellen und
> ausstattungsmäßigen Ressourcen bereitgestellt werden, um allen lern-
> und ausbildungswilligen jungen Menschen und darüber hinaus allen
> weiterbildungswilligen Mitbürgern im Sinne des lebensbegleitenden
> Lernens entsprechend moderne öffentliche und unentgeltliche Bildungs-
> und Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden.
> 2) Um innovativ pädagogisch arbeiten zu können, wird eine Absenkung
> nicht nur der gesetzlichen, sondern auch der effektiven
> Klassenschülerhöchstzahlen und Gruppengrößen gefordert.
> 3) Um für die Schüler optimale Bildungs- und Ausbildungswege
> sicherzustellen, werden Maßnahmen gefordert, um Problemfelder im
> Bereich der Nahtstellen Übergänge zwischen Schulstufen und Schulformen
> unter Beachtung regionaler Erfordernisse zu vermeiden bzw. zu
> minimieren. Dabei soll es auch zur Wahrung und zur Hebung des
> Gesamtniveaus im Bildungswesen kommen.
> 4) Um nicht wertvolle Ausbildungszeit junger Menschen und materielle
> Ressourcen zu vergeuden sowie einen frühen Einstieg in das
> Erwerbsleben zu ermöglichen, wird die Anerkennung und Anrechnung von
> bereits erworbener Qualifikationen auf allen Ebenen der
> Schulausbildung, der beruflichen Bildung und insbesondere im
> postsekundären und tertiären Bildungsbereich gefordert.
> 5) Um dem von der Gesellschaft immer stärker in das Bildungswesen
> verlagerten Erziehungsauftrag gerecht werden zu können, werden
> ausreichende zeitliche Möglichkeiten zur Betreuung nicht nur der
> einzelnen Schüler, sondern auch von Klassenverbänden für
> verantwortungsvolles pädagogisches Wirken der Lehrerinnen und Lehrer
> gefordert.
> 6) Im Sinne einer verwirklichten Subsidiarität sind die Autonomie von
> Bildungseinrichtungen zu fördern und entwicklungshemmender
> Zentralismus abzubauen. Das pädagogische Geschehen darf nicht durch
> sinnlose und ausufernde Administrationsaufgaben überlagert werden.
> Einrichtungen wie die so genannte "Bundesbeschaffungs-Ges.m.b.H." sind
> dabei kontraproduktiv und ein Rückschritt in Richtung gescheiterter
> zentraler Planwirtschaftsstrukturen. Die Kooperation der Schulen mit
> der regionalen Wirtschaft wird dadurch zerstört. Die sofortige
> Loslösung der etwa 1000 Bundesschulen aus der Zwangsbetreuung durch
> die "Bundesbeschaffungs-Ges.m.b.H." wird daher gefordert.
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