Fortsetzung von 1
Die Basis der australischen Universitätsreformen
Die Bildungspolitik der australischen Regierung basiert auf einer strikt neoliberalen Wirtschaftsideologie, die einen "schlanken" Staat mit möglichst wenigen Verpflichtungen anstrebt, damit dem Kapitaleignern durch niedrige Steuern ein hoher Gewinn möglich wird. Bildung und Ausbildung wurde daher weitgehend privatisiert und quasi von einer öffentlichen Angelegenheit zu einer privaten umdefiniert. (Das ist auch der Kern des derzeitigen österreichischen Vollrechtsentwurfs.) Den australischen Universitäten wurde ab 1993 u.zw. noch unter der damaligen Labour Regierung eine Reform auferlegt, die folgende Eckpunkte umfasste: 1. Vollrechtsfähigkeit – die Unis wurden zu eigenen Rechtskörpern; 2) Einführung von hohen (= kostendeckenden Studiengebühren) für die man einen Studienkredit aufnehmen kann; 3) Die Verpflichtung zur Führung der Universitäten nach ökonomischen, kostendeckenden Prinzipien; 4) Die weitgehende Abschaffung der Mitbestimmung des akademischen Personals und der Studierenden, die an manchen Unis intern noch ein geringes Mitspracherecht im Academic board haben, generell aber ihrer Mitbestimmungsmöglichkeiten weitgehend verlustig gegangen sind; 5) Die Einführung neuer Universitätsstrukturen mit einem Universitätsrat an der Spitze und geschäftsführenden Vize-Rektoren sowie einer dominanten Universitätsverwaltung. 6) Die Kürzung des staatlichen Beitrags zur Hochschulausbildung, mit dem Argument, dass die Universitäten miteinander konkurrieren sollten und sich selbst die Mittel über Studiengebühren bzw. marktwirtschaftliche Aktivitäten zu beschaffen hätten. Dieser Betrag variiert von Bundesstaat zu Bundesstaat, beträgt z.B. im Bundesstaat Victoria derzeit nur 35% des Gesamtaufwands – 65% müssen also selbst erwirtschaftet werden. Für Österreich ist in diesem Zusammenhang entscheidend, dass die Universitäten mit der Vollrechtsfähigkeit zum Spielball der jeweiligen Regierungspolitik werden, die die staatlichen Zuwendungen nach Belieben kürzen oder (selektiv für einzelne Unis) erhöhen kann – denn es lassen für jede derartige Senkung immer irgendwelche (berechtigte oder fadenscheinige) Begründungen finden. Wichtig ist auch, dass über die Finanzierungsfrage das in der Verfassung garantierte Recht der Freiheit von Lehre und Forschung weitgehend ausgehöhlt und zu einer Leerformel wird. Denn wer wird es noch wagen, regierungskritische Stellungnahmen abzugeben, wenn zu befürchten ist, dass dies bei der Finanzierung eine Rolle spielen kann? Die Folgen der neoliberalen Bildungspolitik und der Vollrechtsfähigkeit der australischen Universitäten sind im einzelnen:
A) Für die Studenten:
1) Hohe Studiengebühren und Schulden am Ende des Studiums: Die
Studiengebühren reichen je nach Universität von ATS 120.000 (Jus) bis zu ATS
200.000,- (Medizin) pro Studienjahr. Insgesamt betragen die Kosten des Studiums zwischen 1-2 Mio. Schilling. Für australische Studierende wurde ein Studienkreditsystem eingerichtet, mit dem man die Studienkosten vorfinanzieren kann. Sobald man jedoch eine Anstellung gefunden hat und das Einkommen eine (relativ niedrige) Höhe überschritten hat, muss man diese Kosten in Form von höheren Steuern zurückzahlen. Ausländische Studierende zahlen in der Regel die vollen Studiengebühren, sofern es nicht ein bilaterales Abkommen gibt.
2) Sinkende Qualität des Studiums: Durch die Auflassung von Instituten und
die Nichtnachbesetzung von Stellen, wird das Angebot an Studienrichtungen und Lehrveranstaltungen systematisch geringer, denn Institute mit geringen Studentenzahlen werden aufgelöst. (Siehe w. u.)
3) Einkaufen ins Studium trotz niedriger Leistungen: Ein weiterer Aspekt der
Ökonomisierung ist, dass Studierende, die die Aufnahmsprüfung für ein Studium nicht schaffen, sich durch höhere Studiengebühren dennoch einen Studienplatz erkaufen können, da die Institute auf hohe Studentenzahlen angewiesen sind. Das tun nur wenige australische, aber sehr viele ausländische Studierende. Diese Praxis verdirbt das Niveau und lässt an der Sinnhaftigkeit von guten Einstiegsleistungen zweifeln. An manchen Universitäten wurden innerhalb der Uni noch Privatunis eingerichtet, die noch zusätzliche Gebühren einheben.
4) Wenige oder fehlende Stellen: Wie weiter unten noch genauer ausgeführt
wird, studieren viele Studierende ohne Aussicht auf eine Stelle in ihrem Fachbereich, da es an den Universitäten nur ganz wenige bis keine Stellen gibt. Viele Fachbereiche sind bekanntlich Hilfwissenschaften für andere und daher nicht direkt in privatwirtschaftliche Jobs umsetzbar, für ein funktionierendes Universitätssystem aber dennoch unabdingbar. Für die Studenten wird das Studium so nicht zu einer Wahl entsprechend von Interesse und Talent, sondern zu einer Wahl zwischen mehr oder weniger nützlichen Fachrichtungen, deren Ausbildung aber fachlich immer dünner wird – denn das Personal wird weniger und die Infrastruktur aus Geldmangel nicht oder nicht ausreichend erneuert. Auch dies variiert je nach Fakultät und Universität. In Summe hat die Vollrechtsfähigkeit den australischen Studenten hohe Studiengebühren und ein schlechteres Studium gebracht und damit das Gegenteil dessen, was von Regierungspolitikern gern behauptet wird.
B) Für die Institute:
1) Strikte Kostenorientierung: Für die Universitätsinstitute gilt: Wer viele
Studenten hat, überlebt, wer weniger oder immer weniger hat, wird zusammengelegt oder aufgelöst und das Personal entlassen.
2) Auflassung ganzer Studienzweige und die Reduzierung des Studienangebots
Die Kostenorientierung führt zuerst einmal zu einer Auslese von Studien anhand des Prinzips der späteren finanziellen Nützlichkeit. Da die Studenten danach trachten müssen, ihre Schulden zu bezahlen, haben jene Studien Vorrang, die direkt in Jobs umsetzbar sind – Medizin, Technik etc. Im Vorteil sind daher jene Studienrichtungen, die konkret anwendbare Fertigkeiten vermitteln. Die klassische Vorstellung, das Bildung mehr ist, als bloße Ausbildung in einem engen Fachbereich, wird durch die Kostenorientierung völlig ad absurdum geführt und ist durch die hohen Studiengebühren unmöglich geworden, selbst wenn man sich umfassend(er) bilden wollte. Institute und Studienrichtungen, ja ganze Fakultäten, deren Ausbildungen nicht unmittelbare Berufsausbildungen sind bzw. zu keinen direkten Jobaussichten führen, haben weniger Studenten und sind so massiv von der Auflösung bedroht. Damit sinkt nicht nur das Studienangebot, es sinkt auch die wissenschaftliche Tiefe der einzelnen Fachrichtungen und die Vielfalt wissenschaftlicher Betätigung. Wer nun glaubt, dass dies nur die sog. Geisteswissenschaften betrifft irrt. Auch die mehr theoretischeren naturwissenschaftlichen Grundlagenstudien, wie Mathematik und Physik sind von geringeren Studentenzahlen und von der Auflassung betroffen, da sie ja vielfach keine direkt umsetzbaren Jobs vermitteln. Damit verschwinden wichtige Fachbereiche einfach der Reihe nach. Dazu gibt es eine ganze Reihe von Resolutionen und Eingaben wissenschaftlicher Vereinigungen. (Siehe die
Linkliste.) Universitäten, die auch die Bedürfnisse von Regionen zu erfüllen haben, klagen, dass sie dazu nicht mehr in der Lage sind, da ihnen aufgrund geringerer Studentenzahlen die entsprechenden Institute und Einrichtungen abhanden kommen.
3) Entlassung von Personal, Auflassung von Instituten, Nichtnachbesetzung
von Stellen:
Unmittelbarste Folge des Kostendrucks, der ausschließlichen Orientierung an den Studentenzahlen und der damit verbundenen Einnahmen für das Personal sind in der ersten Phase die Auflassung von Instituten und damit verbundene Massenentlassungen. Institute, die "überleben", sind generell mit der Nichtnachbesetzung von Stellen konfrontiert sowie einem drastischen Sinken der Ausbildungsqualität, weil bestehende Einrichtungen und die Infrastruktur nicht erneuert, Bücher und Fachzeitschriften nicht nachgekauft und Unterrichtspersonal nicht in ausreichender Zahl vorhanden ist. Teures Personal wird, wenn möglich, entweder entlassen, in die Pension gedrängt oder hinausgemobbt. Das gilt besonders für ältere Professoren, die bekanntlich am teuersten sind und darüber hinaus eine gewisse Unabhängigkeit besitzen. Man hat versucht, sie als erste los zu werden, was - vielfach ohne Rücksicht auf die fachliche Reputation der Betreffenden durchgeführt wurde. Dazu einige Beispiele: Die Faculty of Humanities an der Monash University in Melbourne, Australiens größte Universität mit 35.000 Studenten, verlor innerhalb von zwei Jahren 125 Stellen. An der naturwissenschaftlichen Fakultät verlangte man Ende 1998 vom dortigen Dekan die Kündigung von 70 wissenschaftlichen Mitarbeitern. Er weigerte sich, worauf man die 70 Mitarbeiter und auch ihn entließ. Zur Praxis der allmächtigen Vizerektoren gehört, dass ältere KollegInnen oft unter Druck gesetzt werden, frühzeitig in den Ruhestand zu gehen Die Produktiven unter den Pensionierten werden dann als freiwillige Forscher (auf Zusatzvertragsbasis) zeitweise behalten, solange ihre Veröffentlichungen der Uni weiterhin Geld einbringen.
4) Die Entwertung von wissenschaftlichen Leistungen als Gradmesser für die
Güte einer Ausbildung
Für das Fortbestehen eines Instituts oder Studienrichtung sind nicht mehr dessen wissenschaftliche Leistungen in Form von Publikationen und erfolgreichen Projekten entscheidend, sondern nur mehr a) die Anzahl der voll zahlenden Studenten und b) die Summe der Forschungsgelder, die zum Gesamtbudget beitragen sowie c) die Kosten, die die Ausbildung und das Personal verursacht. Zusammenfassend gesagt, wurde das Ausbildungsangebot, die Qualität der Ausbildungen sowie die Zahl des Universitätspersonals reduziert und die Universitäten generell geschwächt.
Fortsetzung 3
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