Liebe KollegInnen!


Ich fand den Beitrag relevant für eine Blick auf Österreichs Entwicklung in der Bildung und eine Abwechslung in der laufenden Diskussion im LF. (Teile 2 - 4: bieten einen Einblick in die australische Situation) Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Kreissl

TEIL I

-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Peter Kristöfel [mailto:krist@physik.htu.at]
Gesendet: Freitag, 02. November 2001 20:06
An: Alle Fachschaften HTU; Referate HTU
Betreff: WG: nicht uninteressant! - auch anderswo gibt´s probleme

Mit Volldampf zurück in die Vergangenheit: Die vorhersehbaren Folgen der Vollrechtsfähigkeit der österreichischen Universitäten am Beispiel der Krise der australischen Universitäten – Ein Anschauungsunterricht

Rudolf Muhr (Univ. Graz)

Dieser Bericht gibt einen Überblick über die gegenwärtige Krise der australischen Universitäten. Die dort gemachten Erfahrungen nehmen in vieler Hinsicht künftige Entwicklungen an den österreichischen Unis vorweg, da das von der österreichischen Regierung vorgeschlagene Modell der Vollrechtsfähigkeit in zahlreichen Punkten eine Kopie des australischen darstellt. Dies gilt besonders für die sog. Vollrechtsfähigkeit, für die sich derzeit besonders viele österreichische Professoren einsetzen, da sie anscheinend der Meinung sind, dass dadurch ihr Handlungsspielraum größer werden wird. Wie das australische Beispiel zeigt, sind es gerade die Professoren, die aus Kostengründen zuerst ihre Stellen verlieren. Damit rechnet hier aber noch niemand. Vielmehr meint man, dass die (faulen) Assistenten Probleme bekommen, denn weiter oben in der Hierarchie sei alles sicher. Wie die Beispiele weiter unten zeigen, ist gerade das Gegenteil der Fall. Offensichtlich ist auch, dass man sich bei der Formulierung des derzeit vorliegenden Vollrechtsentwurfs der österreichischen Regierung von jenen australischen Vizerektoren beraten hat lassen, die letztes Jahr in Österreich unterwegs waren und ihr Modell in den höchsten Tönen gelobt haben. Das ist kein Wunder, da sie de facto die einzigen Profiteure der derzeitigen Situation sind, indem sie die Universitäten weitgehend ohne begleitende Kontrolle führen können. (Mehr dazu weiter unten.) Aufgrund der negativen Folgen des Systems der Vollrechtsfähigkeit findet in Australien derzeit eine massive öffentliche Diskussion über die Krise der australischen Universitäten statt, die alle Medien erfasst hat. Eine Parlamentskommission hat vor kurzem einen Katalog von 38 Forderungen an die Regierung übermittelt, der auf 300 (!) Eingaben von Universitäten, akademischen Vereinigungen und führenden Universitätsangehörigen erstellt wurde. (Diese Eingaben können auch im Internet nachgelesen werden – die Links finden sich am Ende des Textes.) Es gibt sogar von Rupert Murdoch und der australischen Wirtschaftsvereinigung eine äußerst kritische Stellungnahme über den Zustand des australischen Universitätssystems, die in genau dieselbe Richtung gehen wie jene der Universitätsangehörigen: Die Universitäten wurden teilweise privatisiert und damit finanziell ausgehungert, da die Teilprivatisierung der Regierung die Möglichkeit gab, die Zuwendungen für die Universitäten einzufrieren. Nach allgemeiner Meinung der australischen Öffentlichkeit ist die Vollrechtsfähigkeit jedoch ein völliger Misserfolg und die Hauptursache für den Niedergang des australischen Universitätssystems. Wer nun glaubt, dass das für Österreich alles nicht zutrifft, der irrt sich mit Sicherheit, denn die bildungsideologischen Absichten und die neoliberale Orientierung der derzeitigen österreichischen Regierung sind mit jenen der australischen weitgehend identisch. Um zu verhindern, dass die dortigen Fehler auch in Österreich passieren, sollte man sich die Verhältnisse gut anschauen und sich fragen, was die Ursachen der australischen Universitätskrise sind und wie es dazu kommen konnte, dass hervorragende Universitäten in kurzer Zeit ihre hervorragende Qualität weitgehend eingebüßt haben.

Fortsetzung 2


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