-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Peter Friebel
An: lehrerforum@ccc.at
Datum: Donnerstag 01, November 2001 22:01
Betreff: Re: LF: Re: Frage an UBG


Herr Kollege Friebel!

In Ihrer Stellungnahme, die ich schon kritisiert habe (UBG und GÖD), schrieben Sie weiters (um die Kontraproduktivität von Streik zu begründen). Ich zitiere Sie verkürzt:


>Und wenn wir jeden Monat ein paar Tage streiken, wird die Regierung
>trotzdem nicht machen, was wir fordern. Dann erreichen wir noch weniger
>als durch Verhandlungen. Schauen Sie doch z.B. nach Italien! Glauben
>Sie, dass die Arbeitnehmer dort im Paradies leben? Oder nach England
>zur Zeit Thatchers: Die Gewerkschaften haben viel mehr gestreikt als
>bei uns, und die Regierung ist so brutal drübergefahren, dass die
>Gewerkschaften danach weitgehend kaputt waren.

War's in England wirklich so, wie Sie schreiben? War der Grund der Niederlage der Arbeiter in England Mitte der 80er-Jahre, mit der Regierung Thatcher, wirklich, dass die Gewerkschaften zu viel gestreikt hätten? Auch in England waren die Gewerkschaften großteils, von der Labour Party nahestehenden Funktionären dominiert, sozialpartnerschaftlich eingestellt, es gab den sozialpartnerschaftlich orientierten Gewerkschaftsdachverband TUC, der Streiks vermied und sich gegenüber der Schmälerung seiner Position durch die Regierung abwartend zurückhielt, der 1983/84 auch eine Unterstützung der (ein Jahr lang) gegen die Grubenschließenungen streikenden Bergarbeiter durch eine Ausdehnung des Kampfes auf andere Sektoren
(Solidaritätsstreiks) aus Sorge um das Wohl der nationalen kapitalistischen Wirtschaft (Konkurrenzfähigkeit) tatkräftig verhinderte. Darin liegen viel eher die wahren Gründe für derlei Schwächung und Niederlagen der Arbeiter gegenüber einer angriffslustigen, Konflikte nicht scheuenden Regierung.

Und grundsätzlich: Müssen wegen verschiedener Niederlagen Arbeitnehmer nun prinzipiell auf Kampf, Streik verzichten, um sich gegen oft massive Verschlechterungen, die heute überall auf der Welt stattfinden, zur Wehr zu setzen?


>Eine Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Arbeitskampf ist, dass
>man ausreichend stark ist, dass der Gegner das Ganze nicht einfach
>aussitzen kann. Wenn AHS-Lehrer alleine streiken (oder wenn alle Lehrer
>nur in einem Bundesland streiken, oder beides zusammen), tut das der
>Regierung nicht wirklich weh.

>Noch wesentlich aussichtsreicher wäre ein Arbeitskampf,
>wenn nicht nur Lehrer dabei sind, sondern auch Gruppen, deren Ausfall
>sofort Chaos auslöst, z.B. Polizei, Eisenbahn, Müllabfuhr, ... . Wer es
>schafft, diese Gruppen dazu zu gewinnen, uns bei einem Arbeitskampf zu
>unterstützen, der sie gar nicht betrifft, der verdient wirklich einen
>Preis.

Nein, nichts zu tun haben diese Gruppen nur, wenn jede Gruppe nicht über ihren Tellerrand hinausblickt und NUR auf die spezifischen Maßnahmen in ihrem Bereich starrt. In Wirklichkeit sind alle diese Gruppen sehr wohl durch gleichartige Maßnahmen betroffen: von dem mit den euphemistischen Schlagworten "Verwaltungsreform" und "Abschlankung" durchgeführten massiven Personalabbau im öffentlichen Dienst, bei Post (Schließung von hunderten "unrentablen" Postämtern, um die Gewinne zu steigern und das Unternehmen börsefit zu machen) und Bahn - einen Personalabbau, dem sämtliche Gewerkschaften dieser Sektoren (GÖD, Post- und Eisenbahnergewerkschaft) - egal, ob von FCG- oder FSG-Funktionären angeführt - zugestimmt haben, im "Verantwortungsbewusstsein" für Staat und Unternehmen (Konkurrenzfähigkeit, Gewinne). Die Interessen der Arbeitnehmer werden von den ÖGB-Gewerkschaften systematisch denen von Staat und Unternehmen untergeordnet, innerhalb einer prinzipiellen Zustimmung zu den Maßnahmen ("Reformen") wird dann um kleine "Erfolge" gefeilscht (zeitliche Streckung der Maßnahmen, Sozialpläne...).

Nein, die von Ihnen aufgezählten Gruppen haben so unterschiedliche Interessen und Betroffenheiten nicht, sie werden aber durch "ihre" Gewerkschaften auseinanderdividiert.

Robert Sutterlütti (Unabhängige Bildungsgewerkschaft)




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