Zu den Absurditäten des sogenannten Integrationsvertrages die Stellungnahme eines Fachverbandes :

"Der Verband für angewandte Linguistik verbal, die österreichische Sektion des internationalen Verbandes AILA (Association Internationale de Linguistique Appliqué), hat aus Anlass des Europäischen Jahres der Sprachen 2001 eine sprachenpolitische Enquete zu Österreich durchgeführt, in deren Rahmen von Expertinnen und Experten aus Schulen, der Erwachsenenbildung, der Universitäten und Pädagogischen Akademien und der Informationswirtschaft zehn Expertisen zu unterschiedlichen Bereichen österreichischer Sprachenpolitik erstellt wurden (zugänglich unter http://www.verbal.at). Bei der Abschlussveranstaltung der Enquete im Rahmen der Österreichischen Linguistiktagung 2001 in Klagenfurt am 27. Oktober 2001 wurde aus Anlass des jüngst erfolgten Beschlusses der Bundesregierung zum "Integrationsvertrag" von den TeilnehmerInnen die folgende Stellungnahme
verabschiedet:

verbal-Stellungnahme zum sogenannten "Integrationsvertrag"


1. Integration ist kein einseitiger Akt, sondern immer Leistung der gesamten Gesellschaft. Integration kann nicht auf Spracherwerb und enzyklopädisches Staatsbürgerschaftswissen reduziert werden. 2. Integration bedeutet umfassende Partizipation, Überwindung von Diskriminierung und Anerkennung kultureller Eigenständigkeiten. 3. Spracherwerb ist ein differenzierter und komplexer Prozess, der mit kognitiven, psycho-sozialen und affektiven Faktoren verbunden ist und je nach individuellen Voraussetzungen gefördert werden muss. Der Besuch eines Sprachkurses ist keine Garantie für erfolgreiches Sprachenlernen. 4. Es ist eine pädagogische Binsenweisheit, dass Lernen nicht unter Druck und Zwang stattfinden kann. Stattdessen müssen Lernchancen eröffnet werden, die der Spezifität der Zielgruppen gerecht und Teil eines umfassenden Förderungskonzeptes zur gesellschaftlichen Integration von MigrantInnen und Flüchtlingen sind. 5. Negative Sanktionsmodelle im Bereich der Integrationsförderung, die von einer zwangsweisen Teilnahme an Integrationsangeboten ausgehen und mit Sozialleistungskürzungen oder Aufenthaltsbeendigung drohen, widersprechen den allgemeinen Menschenrechten. Die Beschränkung der Sanktionsdrohungen auf Drittstaatsangehörige widerspricht darüber hinaus den vom Europäischen Rat in Tampere beschlossenen Grundsätzen der Ausländerpolitik, die als eines der Ziele einer gesamteuropäischen Integrationspolitik eine Annäherung der Rechtsstellung von Drittstaatsangehörigen an die von UnionsbürgerInnen vorsehen. 6. Es ist kurzsichtig, den Beitrag der MigrantInnen und Flüchtlinge in unserer Gesellschaft auf ihre Sprachkompetenzen in deutscher Sprache zu reduzieren und den ökonomischen und kulturellen Wert ihrer Mehrsprachigkeit nicht anzuerkennen. 7. Im Zusammenhang mit dem vorliegenden "Integrationsvertrags" entbehrt die Bezugnahme auf Integrationsprogramme, wie sie in den Niederlanden und Schweden eingerichtet wurden, jeglicher Grundlage, da die dortigen Programme Teil eines umfassenden Integrationskonzepts sind, das über die reine Sprachvermittlung weit hinausgeht.

Klagenfurt, am 27. Oktober 2001




Erich Wallner wrote:

> Wie aus den Medien bekannt, hat unser Parlament ein Gesetz
> beschlossen, wonach in Österreich aufhältige AusländerInnen innerhalb
> eines Jahres eine Deutsch-Prüfung ablegen müssen.
>
> In der Praxis sieht das so aus:
>
> 1. Meine Schule stellte einen Klassenraum für einen abentlichen
> Deutsch-Kurs zur Verfügung. Eine Germanistin sollte ihn übernehmen. 18
> TeilnehmerInnen waren angemeldet. Am ersten Abend waren 58 da - fast
> ausschließlich Frauen, von ihren Männern geschickt, teilweise
> verschleiert, die meisten mittleren Alters oder darüber. Finanziell
> gesichert ist die Remuneration für einen Kurs.
>
> 2. Die Kollegin mußte feststellen, daß die Mehrheit der Frauen
> Analphabetinnen sind. Sie sind größtenteils schon jahrelang in
> Österreich, haben aber praktisch kein Deutsch gelernt, weil durch ihre
> Männer von der Öffentlichkeit abgeschottet. Zwischen Bosnien und dem
> Iran sind so ziemlich alle Länder vertreten.
>
> 3. Nicht nur, daß die Kursleiterin die vorgesehenen schriftlichen
> Lehrbehelfe nicht verwenden kann, weiß sie auch nicht, wie die
> Abschlußprüfung aussehen soll und wer sie abhalten wird.
>
> Hat jemand eine Idee, wie man einer multinationalen Gruppe von Frauen,
> die weder lesen noch schreiben können, innerhalb eines Jahres soviel
> Deutsch beibringt, daß sie eine Prüfung bestehen können, von der man
> nicht weiß, wie sie aussehen wird?
>
> Erich Wallner
> --
> Diese Liste wird vom Computer Communications Club (http://www.ccc.at)
> betrieben. Um sich aus der Liste austragen zu lassen, senden Sie ein
> e-mail an majordomo@ccc.at mit dem Befehl "unsubscribe lehrerforum" im
> Nachrichtentext.

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