Position des DGB zur 4. Ministerkonferenz der WTO in Doha, Katar, November 2001 zu finden unter: http://www.igmedien.de/verdi/globalisierung.html

"Die nächste WTO-Runde muss nachhaltige Entwicklung und soziale Gerechtigkeit auf ihre politische Agenda setzen." 1. Die deutschen Gewerkschaften treten für einen fairen und offenen Welthandel ein, dessen Ordnungsprinzipien zu Wohlstand und Prosperität für alle führt. Der DGB begrüßt daher die Initiative der Europäischen Kommission, dass die nächste WTO-Ministerkonferenz in Katar vom 9. bis 13. November 2001 handelspolitische Zugeständnisse für die Entwicklungsländer erreichen soll. Die angestrebte zoll- und kontingentfreie Marktöffnung der EU für die ärmsten Entwicklungsländer wird als echter Anreiz anerkannt. Doch die Ausnahme von Reis, Bananen und Zucker stellt weiterhin eine Handelsbeschränkung dar. Die Europäische Union hätte in diesen Bereichen mehr Mut zeigen können. Die Säule "Marktzugang" ist ein wichtiges Instrument, um der ungleichen Einkommensverteilung der Handelsliberalisierung zwischen armen und reichen Ländern entgegenzusteuern. Die Handelspolitik muss daher zum integralen Teil einer umfassenderen Entwicklungsstrategie werden. 2. Der DGB fordert die deutsche Bundesregierung und die Europäische Kommission dazu auf, bei der nächsten WTO-Ministerkonferenz weiteres Entgegenkommen an die Entwicklungsländer zu signalisieren. Dazu gehören: a. Ein verbesserter Marktzugang in Sektoren, in denen Entwicklungsländer komparative Vorteile haben. b. Die Aufhebung von Handelshemmnissen gegenüber Entwicklungsländern in für sie wichtigen Bereichen, wie z.B. Landwirtschaft, Antidumping, Subventionen. c. Zugeständnisse bei den handelsbezogenen Aspekten von Schutzrechten für geistiges Eigentum, die Ausnahmeregelungen für lebenserhaltende Medikamente und Schutz der Biodiversität ermöglichen. d. Verlängerung der Umsetzungsfristen der Uruguay-Runde. e. Eine Ausnahme der Entwicklungsländer von bestimmten Liberalisierungsverpflichtungen - "eine gesonderte und spezielle Behandlung" je nach Entwicklungsstand. f. Technische und finanzielle Unterstützung der Entwicklungsländer zur Umsetzung des handelsbezogenen Streitbeilegungsmechanismus . g. Eine Entschuldungsinitiative auch innerhalb der WTO. h. Schaffung von demokratischen Regeln der Transparenz, Demokratie und Rechenschaftspflicht - nach innen wie nach außen. i. Ausbau von positiven Anreizsystemen für die Einhaltung von Demokratie-, bürgerlichen und sozialen Menschenrechten sowohl im Allgemeinen Präferenzsystem als auch in den Handelsverträgen. 3. Der DGB begrüßt das Ziel des EU-Handelskommissars Pascal Lamy, vor der WTO-Konferenz ein Internationales Forum zur Prüfung von Handel und Sozialer Entwicklung zu initiieren. Eine Koordinierung der Politik zwischen den internationalen Organisationen ist eine wesentliche Voraussetzung für einen Fortschritt in der Armutsbekämpfung. Es muss eine Strategie entwickelt werden, wie die Beziehung zwischen Handel und entwicklungshemmenden Problemen wie Verschuldung, Seuchen, Armut und Waffenhandel angegangen werden kann. Dies kann jedoch die Einbeziehung der Kernarbeitsnormen in das WTO-System als Ordnungsprinzip für fairen und sozial gerechten Handel nicht ersetzen. Die Kernarbeitsnormen müssen deshalb auf die politische Agenda der WTO gesetzt werden. Die Anerkennung der Kernarbeitsnormen fördert die Herausbildung einer sozialen Marktwirtschaft sowie ihrer Rechtsgrundlagen und Institutionen. Globale Märkte müssen auf globalen Regeln und Institutionen beruhen, die eine menschenwürdige Entwicklung und das Allgemeinwohl über die Interessen von Unternehmen und nationalen Vorteilen stellen. Internationale Arbeitsnormen sind in diesem Sinne internationale Handelsregeln, die das Verhalten von Regierungen und Unternehmen steuern. 4. Der DGB lehnt deshalb ab, die Frage der Kernarbeitsnormen als soziales Ordnungsprinzip nur über eine Stärkung der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) sowie des EU-Allgemeinen-Präferenzsystems lösen zu wollen. Das WTO-System regelt einen bedeutenden Teil der Weltwirtschaftsordnung und nicht nur die Handelsströme zwischen den Ländern. Jeder Handelsstreit zwischen WTO-Mitgliedsländern wird nach den Regeln des WTO-Vertrages und nicht nach der nationalen Gesetzeslage beurteilt. In diesem Zusammenhang ist klar herauszustellen, dass die Entwicklungsländer vor allem untereinander in Wettbewerb stehen. Die allgemeine Einhaltung von Kernarbeitsnormen würde die extremsten Formen eines halsbrecherischen Wettbewerbes auf dem Rücken der Arbeitnehmer und der damit verbundenen Ausbeutung verhindern. Die Einhaltung der Normen versetzt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weltweit in den Stand, ihre Rechte über freie Gewerkschaften wahrzunehmen. Dies ist Voraussetzung dafür, dass sie eine gerechte Beteiligung am Ergebnis ihrer Arbeit erhalten. Kernarbeitsnormen verbessern auch die Stellung von marginalisierten Gruppen (wie Kinder, Frauen oder Menschen in Schuldknechtschaft) und deren soziale und wirtschaftliche Situation. 5. Der DGB fordert die deutsche Bundesregierung und die Europäische Kommission dazu auf, die Forderung der Einbeziehung der Kernarbeitsnormen in das WTO-System nicht aufzugeben. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) ist die einzige autorisierte Organisation zur Auslegung und Entwicklung von Kernarbeitsnormen. Ihre Durchsetzung ist jedoch Querschnittsaufgabe aller internationaler Organisationen, insbesondere auch der WTO. Es ist deshalb ein Ständiges Forum von WTO und ILO einzurichten, das diese Frage behandeln soll. Dieses Ständige Forum soll die Kompetenz erhalten, Rechtsgrundlagen und Kriterien zu den Kernarbeitsnormen zu entwickeln, die vom Streitbeilegungsverfahren der WTO berücksichtigt werden. Internationale Gewerkschaftsorganisationen sind an der Arbeit dieses Ständigen Forums zu beteiligen. Die handelspolitischen Überprüfungen (trade policy
reviews) können so um handelsbezogene Umwelt-, Sozial- und Geschlechterfragen einschließlich der Kernarbeitsnormen erweitert werden. 6. Der DGB weist darauf hin, dass Zugeständnisse der EU an die Entwicklungsländer deren Befürchtung beseitigen müssten, Kernarbeitsnormen als protektionistische Forderung der Industrieländer einzusetzen. Darüber hinaus muss die Europäische Union selbst die Einhaltung der Kernarbeitsnormen auf ihre politische Agenda setzen, sei es bezüglich der Umsetzung in ihren eigenen Ländern, sei es durch die Aufnahme dieses Ordnungsprinzips in ihre bilateralen Handels- und Assoziierungsabkommen. 7. Auch die G8-Länder müssen einen wirksamen Beitrag leisten. Bereits im Kommuniqué des Weltwirtschaftsgipfels in Köln führten die G8 aus: "Wir verpflichten uns, die wirksame Unterstützung der Erklärung der ILO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit und ihrer Folgemaßnahmen zu fördern. Ferner beabsichtigen wir, die Arbeit mit den Entwicklungsländern zu intensivieren, um ihre Fähigkeit zu verbessern, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Wir sprechen uns dafür aus, die Fähigkeit der ILO zu stärken, den Ländern dabei zu helfen, Kernarbeitsnormen umzusetzen. Zudem begrüßen wir die stärkere Zusammenarbeit zwischen der ILO und den internationalen Finanzinstitutionen bei der Förderung des angemessenen Schutzes und der Kernarbeitsnormen. Wir fordern die internationalen Finanzinstitutionen nachdrücklich auf, diese Normen in den politischen Dialog mit den Mitgliedsstaaten einzubeziehen. Darüber hinaus betonen wir die Bedeutung einer wirksamen Zusammenarbeit zwischen der WTO und der ILO hinsichtlich der sozialen Dimension der Globalisierung und der Handelsliberalisierung."




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