Aus den OÖN vom 09 11 01
OÖN-INTERVIEW: Volkswirtschaftsprofessor Schneider findet kein Lob für den Finanzminister
"Steuerzahler an der Nase herumgeführt"
"Wenn ein roter Finanzminister so vorgehen würde, wäre ihm die Kritik der FP sicher gewesen", sagt der Linzer Volkswirtschaftsprofessor über die Jubelmeldung bezüglich Nulldefizit. Im OÖN-Gespräch rechnet Schneider mit einer Ernüchterung spätestens 2002.
OÖN: Die Regierung freut sich über ein Nulldefizit. Ist Grasser ein guter Finanzminister?
Schneider: Ich kann mich nur wundern. Versprochen wurde eine zu drei Viertel ausgabenseitige Budgetsanierung. Jetzt saniert man sich über höhere Steuereinnahmen. Und dieses Nulldefizit ist alles andere als nachhaltig . Ein roter Finanzminister wäre von einer oppositionellen FP wohl dafür scharf kritisiert worden.
OÖN: Wohl auch weil die vorgezogenen Steuervorauszahlungen den Unternehmen nächstes Jahr fehlen werden?
Schneider: Nicht nur das. Denn wenn die Gewinne der Unternehmen nächstes Jahr sinken - und dafür spricht angesichts der Konjunktur einiges - werden Steuerzahlungen gut geschrieben werden müssen. Und gerechterweise müssten diese Vorauszahlungen verzinst gut geschrieben werden. Schließlich werden ja Strafen für verspätete Zahlungen eingehoben.
OÖN: Manche sprechen von einem schön gerechneten Budget. Teilen Sie diese Meinung?
Schneider: Wenn man berücksichtigt, dass die AMS-Kasse ausgeräumt wird, dass zahlreiche Einmaleffekte vorgezogen wurden und bestimmte Dinge nicht mehr wiederholbar sind, kommt man eigentlich auf die 40 bis 50 Milliarden Schilling Nettodefizit, die Grasser ohnehin für heuer erwartet hatte.
OÖN: Also ein Pflanz der Steuerzahler?
Schneider: Man hat das Gefühl, Grasser führt die Steuerzahler an der Nase herum. Bemerkenswert ist, dass die Unternehmer und die Besserverdiener - also Stammklientel der bürgerlichen Regierung - das Nulldefzit vorfinanzieren. Man stellt sie auch weiterhin ruhig. Und nach den Wahlen wird man ihnen erklären, dass für die notwendige Entlastung kein Geld da ist.
OÖN: Also keine Steuerreform. Auch 2003 nicht?
Schneider: Um die zu finanzieren, müsste man wieder neue Schulden machen oder man erreicht Wachstumsraten von vier bis fünf Prozent. Dafür gibt es aber keinerlei Hinweise.
OÖN: Ausgabenseitig versucht man aber, um die Verwaltungsreform Geld zu sparen.
Schneider: Wenn man das mit einem Aufsatz vergleicht, wurde die Einleitung verfasst. Es fehlt der Hauptteil.
OÖN: Dessen Umsetzung wohl Jahre in Anspruch nehmen wird, ehe Einsparungen greifen?
Schneider: Genau so ist es. Länder, die ausgabenseitig saniert haben, wie Niederlande oder Schweden, brauchten dafür mindestens vier Jahre, ehe Effekte spürbar waren.
OÖN: Was halten Sie vom goldenen Handschlag, mit dem 55-jährige Beamte in Frühpension geschickt werden?
Schneider: Abgesehen davon, dass zum Teil hoch qualifizierte Personen der Volkswirtschaft entzogen werden, wird das Problem vom Finanzminister zum Sozialminister verlagert. In ein paar Jahren folgt dann wieder eine Pensionsdebatte. Das können sich vielleicht Länder wie Norwegen leisten, die Budgetüberschüsse erwirtschaften. Österreich ist dazu nicht in der Lage.
( von Dietmar Mascher )