Herr Kollege Friebel!

Ich setze hier die Auseinandersetzung um das Verhältnis von Verhandeln, Kämpfen und passivem Tolerieren (der Kürzungen) bzw. den Verzicht auf Kampf, obwohl die Gewerkschaft von der Regierung nicht mehr gefragt wird, fort.

1)
Sie schreiben, das Budgetbegleitgesetz sei im Dezember 2000 zwar ohne Einverständnis der Gewerkschaft (also ohne Mitwirkung und Verhandlungen der
Gewerkschaft) beschlossen worden, Verhandlungen hätten aber später, im Frühjahr und Sommer 2001, trotzdem stattgefunden, nämlich über eine ENTSCHÄRFUNG einzelner Punkte und über die AUSLEGUNG des neuen Gesetzes (siehe Durchführungsbestimmungen des § 61 - Abgeltung von MDL), "soweit das im Rahmen einer Interpretation des Gesetzes (also ohne Änderung des
Gesetzestextes) eben möglich war".

Damit geben Sie, Koll. Friebel, freimütig zu, dass sich die von Ihrer Fraktion viel beschworenen Verhandlungen, die man nicht durch einen Kampf gefährden sollte, IM ENGEN RAHMEN EINER BLOSSEN INTERPRETATION DES GESETZESTEXTES bewegten und dass sich die Hauptfraktion der AHS- und BMHS-GÖD-Sektionen offenbar damit begnügten.

2)
Weiters konzidieren Sie fraktionskritisch: Der Dezember-Streik sei zu spät (nämlich am Tag der voraussehbaren endgültigen Beschlussfassung im
Parlament) gekommen, Kampfmaßnahmen hätten schon im Oktober organisiert und spätestens Mitte November stattfinden sollen, weil damals schon klar gewesen sei, dass die Regierung nicht zu Verhandlungen bereit war. Die Gewerkschaftsvertreter hätten zu lange auf Verhandlungen gehofft. Die GÖD-Gewerkschaft habe aber aus dem Verhalten des Dienstgebers gelernt, und sie würde in Hinkunft anders vorgehen.

Von den namhaften Vertretern Ihrer Fraktion vernimmt man aber keinen Deut von selbstkritischer Rückschau auf diese Episode, ich höre immer nur umgekehrt das Herausstreichen des "heroischen" Dezemberstreiks, man habe es immerhin versucht, und man sehe daran, dass auch ein Streik nichts nützt.

Ich bezweifle wirklich, ob Ihre Fraktion noch so in den Kinderschuhen steckt , dass sie da durch Erfahrung noch lernen musste, noch mehr bezweifle ich, dass sie durch diese Erfahrung Ihre Vorgansweise ändern wird. Nein, das Zurückschrecken vor wirksamen Kampf-maßnahmen, die Bereitschaft zum Mittragen von Opfern der Arbeitnehmer zur Sanierung des Budgets und damit zur Abstützung des Regierungskurses - das ist viel zu prinzipiell in Selbstverständnis und Programm der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst und der FCG (weitgehend auch der FSG) eingeschrieben ("Verantwortung für das Staatsganze"), als dass ich an eine ehrliche selbstkritische Bilanz und Änderung der Vorgangsweise glauben könnte.

Es handelt sich bei Ihren Worten viel eher um die gewohnte Vertröstung und die Schaffung von Illusionen, dass dieselbe Organisation, dieselbe Fraktion es in der Zukunft ganz anders machen werde.

Robert Sutterlütti,
Personalvertreter am BG Lustenau,
Vorarlberger Lehrerinitiative,
Vorstandsmitglied der Unabhängigen Bildungsgewerkschaft



-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: Peter Friebel
An: lehrerforum@ccc.at
Datum: Mittwoch 07, November 2001 19:47
Betreff: LF: Re: Verhandeln u Kampf


>Lieber Kollege Sutterlütti!
>
>Robert Sutterlütti schrieb (zum Thema Budgetbegleitgesetz):
>> Wurden die Dinge von der Regierung diktiert (Verhandlungen also
>> nutzlos), oder hatten Sie Erfolge durch Verhandlungen (die angeblich
durch
>> Kampf gefährdet würden)? Beide Versionen werden von Ihrer Fraktion
>> wie
von
>> Ihnen selbst jedenfalls laufend dazu benutzt, zu begründen, warum die
>> GÖD-Lehrersektionen nicht kämpfen konnten (und dies auch in der
>> Zukunft nicht können).
>
>Der scheinbare Widerspruch entsteht, weil Sie mich missverstanden
>haben:
>
>Das Budgetbegleitgesetz wurde ohne Einverständnis der Gewerkschaft auf
>Antrag der Regierung vom Nationalrat beschlossen, und zwar, wie Koll.
>Jantschitsch und Koll. Weißmann immer wieder glaubhaft versichert
>haben, ohne dass die Regierung mit den Vertretern der
>AHS-Lehrer-Sektion darüber verhandelt hätte.
>
>Dass ich trotzdem von Verhandlungen gesprochen habe, steht dazu nicht
>im Widerspruch, denn Verhandlungen über eine Entschärfung einzelner
>Punkte und über die Auslegung des neuen Gesetzes fanden im Frühjahr und
>im Sommer 2001 statt. Lesen Sie bitte die Durchführungsbestimmungen zum
>§ 61 vom August 2001 (z.B. unter www.oepu.at, im rechten Rahmen unter
>"Aktuell: Durchführungsbestimmungen zum § 61"), in denen etliche Fragen
>zur Abgeltung der Mehrdienstleistungen durchaus kollegenfreundlich
>gelöst wurden - soweit das im Rahmen einer Interpretation des Gesetzes
>(also ohne Änderung des Gesetzestextes) eben möglich war.
>
>Außerdem habe ich den Warnstreik im letzten Dezember am Tag der
>Beschlussfassung im Nationalrat als zu spät bezeichnet. Auch hier haben
>Sie mich missverstanden. Am Beispiel des vergangenen
>Herbstes: Erste Kampfmaßnahmen hätten im Oktober organisiert werden und
>spätestens Mitte November stattfinden sollen, als klar war, dass die
>Regierung nicht bereit war, mit uns über das BBG zu verhandeln. Ich
>habe in diesem Zusammenhang schon einmal im Lehrerforum die Meinung
>vertreten, dass unsere Vertreter zu lange gehofft haben, es werde schon
>noch zu Verhandlungen kommen. Ich bin aber überzeugt, dass sie daraus
>einiges über den Stil der Regierung gelernt haben und dieser Fehler
>sich daher nicht wiederholen wird.
>
>Mit freundlichen Grüßen
>Peter Friebel
>
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>betrieben. Um sich aus der Liste austragen zu lassen, senden Sie ein
>e-mail an majordomo@ccc.at mit dem Befehl "unsubscribe lehrerforum" im
>Nachrichtentext.
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