1. Neugebauer himself schreibt im Editorial der "GÖD"-Novembernummer auf Seite 3: "Es wird im nächsten Jahr Gehaltsverhandlungen im 'Doppelpack' geben. Wie vereinbart wird es neben den 0,8 Prozent Erhöhung der Gehälter einen Nachschlag auf die tatsächliche Inflationsrate des Jahres 2002, für das Jahr 2003 eine ordentliche Gehaltserhöhung geben müssen."

2. Am 5. November postete Koll. Peter Ramsmaier unter "Re:LF:Gehaltsverhandlungen": "Hat unsere Gewerkschaft als Inflationsausgleich mit der Regierung a) eine Einmalzahlung vereinbart oder b) werden im Zuge des Inflationsausgleichs neben der Nachzahlung auch die Gehaltsansätze an die tatsächliche Inflation im Jahre 2002 angepaßt und bilden diese Gehaltsansätze dann die Basis für die Lohnerhöhungen der Folgejahre?
Leider haben wir auf diese Frage, die wir dem Chefverhandler, Hrn. Neugebauer, sofort nach Bekanntwerden der Verhandlungsergebnisse per Fax gestellt haben, nie eine Antwort erhalten."

3. Am 15. Oktober stellte Kollege Eckehart Quin eine APA Meldung von der GÖD-Homepage ins
LF: "GÖD-Vorsitzender Neugebauer kündigte im Gespräch mit der APA einen 'Doppelpack' an. Man werde eine Ergänzung für 2002 und 'eine ordentliche Gehaltsrunde für 2003' verlangen. ...
Die letzte Gehaltsrunde war sowohl für 2001 als auch für 2002 beschlossen worden. Damals war für 2002 nur eine Gehaltserhöhung um 0,8 Prozent beschlossen worden. Gleichzeitig wurde aber vereinbart, zum Jahresende eine volle Abgeltung der Differenz auf die Inflation vorzunehmen.
Neugebauer verlangt nun, bei den Verhandlungen im Herbst 2002 die Ergänzung von den 0,8 Prozent auf die volle Inflation zu vollziehen."

4. Am 24. September stellte Kollege Quin eine Transkription des Neugebauer-Mittagsjournal-Interviews vom 22.9. ins LF, wo es heißt: "... eine Inflationsabgeltung für 2002, die wir splitten, daß wir am 1. Jänner 0,8 Prozent bekommen und zum Jahresende die Ergänzung auf die tatsächliche Inflation des Jahres 2002. Das heißt zum Jahresende 2002 weiß der Finanzminister hoffentlich noch ... dass er nicht nur die Ergänzung auf die volle Inflationsabgeltung des laufenden Jahres, sondern natürlich eine ordentliche Lohnrunde für den 1. Jänner 2003 vorzusorgen hat."

5. Betreiben wir ein wenig Semantik und schauen wir uns Neugebauers Wortwahl an: "Ergänzung auf die volle Inflation des Jahres 2002", "Ergänzung für 2002 ... zum Jahresende eine volle Abgeltung der Differenz auf die Inflation", "Nachschlag auf die tatsächliche Inflationsrate des Jahres 2002". In keiner einzigen dieser Formulierungen kann ich eine staffelwirksame Anpassung der Bemessungsgrundlage für zukünftige Gehaltsabschlüsse erkennen (wie es z.B. die Formulierung "nachträgliche Gehaltserhöhung um die Differenz zur Inflationsrate 2002" ausdrücken würde), sehr wohl hingegen deuten Neugebauers Worte mit ihrer Einschränkung auf das Jahr 2002 auf die von Koll. Ramsmaier befürchtete Einmalzahlung hin. Das zuletzt verwendete Vokabel "Nachschlag" ist in seiner Rückwärts-Gewandtheit das entlarvendste von allen - wer könnte da noch von ZUKÜNFTIGEN
(staffelwirksamen) Auswirkungen der "Ergänzung auf die volle Inflationsabgeltung des laufenden Jahres" träumen?

Um den Unterschied klarer zu machen, ein paar Zahlen: Falls die Inflation 2002 so hoch ist wie heuer, würden uns fast 2% fehlen (= jene 2%, um die so gut wie alle anderen Berufsgruppen bei den in diesen Tagen publizierten 2002er-Abschlüssen über unseren 0,8 Prozent liegen). Ich verdiene als L1-Lehrer um die Fünfzig in der Gehaltsstufe 14 derzeit monatlich knapp 44.000 brutto, das sind im Jahr etwas über 600.000 brutto. Zwei Prozent Einmalzahlung als Nachschlag davon wären 12.000 brutto - ein gut ausgestattetes Mountainbike. Das wäre die eine Interpretationsmöglichkeit von Neugebauers Worten.

Mit einer statistischen Lebenserwartung von noch einem Vierteljahrhundert würde ich allerdings bei einer um 2% erhöhten BEMESSUNGSGRUNDLAGE meine Lebensverdienstsumme in der Größenordnung von 300.000 steigern - ein gut ausgestatteter VW Golf. Das wäre die andere - meiner Meinung nach illusorische - Interpretation von Neugebauers Worten.
Was auf den ersten Blick für manche/n LeserIn wie semantische Spitzfindigkeit aussehen mag, summiert sich auf einen Unterschied im Kaliber eines Mittelklasse-PKW. Für jüngere KollegInnen und Frauen (mit höherer Lebenserwartung) wird es schon fast ein Mercedes.

6. Die Schweinerei (deshalb der "Beschiß" im Betreff) besteht nun darin, daß Neugebauer in der Öffentlichkeit (wie zuletzt in der "GÖD") den Eindruck erweckt, wir bekämen die Inflation 2002 eh abgegolten - halt mit ein bisserl Verspätung. Er will uns damit ein Fahrrad als Auto verkaufen und sich darüber hinwegschwindeln, daß er nach den blamablen
500.- für 2001 mit den 0,8% für 2002 in Wirklichkeit schon wieder fast eine Nulllohnrunde hingelegt hat. Zusammen mit den Nulllohnrunden 1996 und 1997 kommen die österreichischen Beamten damit in diesen sieben Jahren 1996 bis 2002 auf den Askese-Level eines spätantiken Anachoreten - zumal 1998 mit monatlich 466.- und 2000 mit 1,5 Prozent auch nicht wirklich
ausschweifende Dimensionen aufwiesen.

Neugierig bin ich, ob sich jemand aus der Adams-Family im LF getraut, dagegenzuhalten und meine Interpretation von Neugebauers Worten als böswillige Verleumdung zu denunzieren. In einem Jahr werden wir ja dann sehen, wer Recht gehabt hat ...

Erich Wallner

P.S.: Ist es nicht schon bezeichnend genug, daß man die Worte des obersten Beamtenvertreters einer Exegese unterziehen muß, bevor sich ihr Bedeutungsinhalt erschließt?
--
Diese Liste wird vom Computer Communications Club (http://www.ccc.at) betrieben. Um sich aus der Liste austragen zu lassen, senden Sie ein e-mail an majordomo@ccc.at mit dem Befehl "unsubscribe lehrerforum" im Nachrichtentext.