Lieber Kollege Wertjanz,

ich danke für die persönliche Wertschätzung, die sie in Ihrer Botschaft ausdrücken und ich bewundere Ihre humane Ge- sinnung.

Sie gestatten mir aber sicher, bei meiner Meinung zu bleiben ("Vielleicht sollten wir mit Lob für Frau G. ein wenig zurückhaltender sein.") Ich differenziere sehr wohl zwischen Mensch und beruflicher Position.

Nicht, weil Frau G. sich selbst schon wesentlich weniger zimperlich auszudrücken wußte (Das bekannte Basta-Zitat).

Sondern weil es bei uns LehrerInnen auch in nächster Zukunft ZUSÄTZTLICHEN EINSPARUNGSBEDARF gibt, vorausgesetzt, die Österreichische Bundesregierung beteiligt sich auch weiterhin am Tanz ums Güldene Kalb mit Namen "Nullbudget". Heute vor einem Jahr war ja der sicherheitshalber befristete Streik der AHS-LehrerInnen gegen die BBG, wir erinnern uns.

Ich wollte, wir könnten Aussagen von Frau G. (aus der Erinnerung zitiert, sie "wisse nichts von Töpfen") trauen. Ich fürchte, es wird eine wenig schmackhafte SCHWARZE SUPPE gerade gekocht.

Wenn Frau G. weitere Demütigungen ihren LehrerInnen nicht
mehr zumuten will/kann -- da gibt es in anderen Ländern Vorbilder, was ein Minister mit Haltung tun kann.

Zur Frage der Motivation von Frau G.: In diesen Zeitläuften
ist für viele Menschen ein üppiges Gehalt eine starke Motivation. Ich unterstelle Niemandem nichts, aber das entspricht auch der Ideologie jener Partei, der Frau G. angehört. Nicht sehr christlich, will mir scheinen -- aber ich bin da kein Experte.

Das mit dem Poesiealbum, das find' ich nicht nett von
dem Kollegen, Sie haben ihm das sicher selbst gesagt.

Ich danke Ihnen sehr herzlich für Ihre Aussage zum
Umgangston gewisser Poster hier im LF und verbleibe
mit herzlichen Grüßen

Ronald Eidenberger
1060 Wien

PS Eine kleine Polemik zum Schluss (ich habe doch einen schlechten Ruf zu verlieren): Dass sich gerade das Wiener Gymnasium, das sich nach Freud benannt hat, so an der "Obrigkeit" orientiert, das verdient schon eine Erwähnung. Darüber könnte er sich im Jenseits zusammen mit Karl Kraus sicher köstlich amüsieren.

Martin Wertjanz
schrieb
> Geehrter Herr Kollege Eidenberger!
>
> Sie schreiben in ihrem Mail:
>
> "Vielleicht sollten wir mit Lob für Frau G. ein wenig zurückhaltender
> sein."
>
> Nachdem ich in letzter Zeit der Einzige war, der die Ministerin gelobt
hat,
> haben sie möglicherweise auf mein Mail Bezug genommen, in dem ich
> schrieb:
>
> "Ich denke, wir sollten dankbar sein, dass wir sie in dieser
> Regierung haben, und auch für sie beten, dass ihr Gott weiterhin
> Gesundheit und Weisheit geben möge, eine so schwierige Aufgabe zu
> erfüllen."
>
> Ich habe damit nicht gemeint, dass ich mit den Maßnahmen dieser
> Regierung einverstanden bin. An meiner Schule war ich einer, der sich
> dafür eingesetzt hat, dass auch meine Schule ein Zeichen der
> Solidarität mit den anderen boykottierenden Schulen setzen sollte. In
> einer Dienststellenversammlung war allerdings die Mehrheit der
> KollegInnen der Meinung, dass es Aufgabe der Gewerkschaft ist, klare
> Boykottmaßnahmen für alle AHS festzulegen. Dieser Meinung konnte ich
> mich anschließen.
>
> Was nun mein Lob für unsere Ministerin angeht: Ich kenne sie viel zu
> wenig um ein kompetentes Urteil über sie abzugeben. Eines ist mir
> allerdings klargeworden, dass sie auch ein Mensch ist, der versucht
> nach ihren Möglichkeiten das nach ihrer Meinung Beste zu tun. Wir
> haben selbstverständlich das Recht und auch die Pflicht sie auf
> Mißstände hinzuweisen. Trotzdem habe ich gespürt, dass ich in meinem
> Herzen nicht mehr zwischen der Person "Elisabeth Gehrer" und ihrer
> Funktion "Unterrichtsministerin" unterschieden habe. Als Person
> verdient sie meinen Respekt, für ihren Einsatz und ihre Mühen und ich
> habe kein Recht ihre Würde als Person anzugreifen.( Dies würde ich mir
> manchmalauch für das Lehrerforum wünschen, wo in den Diskussionen
> miteinander oft nicht sehr zimperlich umgegangen wird).
>
> Ein Kollege fragte mich in einem Mail:
> "Haben Sie auch ein Autogramm für das Poesiealbum bekommen?"
>
> Ich habe kein Autogramm erhalten. An diesem Abend habe ich allerdings
einen
> kleinen Blick in die Seele eines Menschen tun dürfen. In ihrem Vortrag
> fragte Frau BM Gehrer:" Wer motiviert eigentlich mich?" Diese Frage
> ist durchaus berechtigt. Ich denke, dass es an der politischen "Front"
ziemlich
> kalt geworden ist. Natürlich haben sich die Politiker ihr Los selbst
> ausgesucht. Trotzdem würde auch ihnen etwas Lob und Anerkennung gut
> tun. Deshalb möchte ich auch weiter für unsere Ministerin beten.
>
> Geehrter Kollege, nachdem ich ihre Beiträge im Lehrerforum schätze,
> war es mir ein Anliegen, meine Gedankengänge darzulegen.
>
> In der Hoffnung auf ihr Verständnis
>
> grüße ich sie herzlichst
>
> Martin Wertjanz
> Sigmun Freud-Gymnasium Wien



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