05.01.2002 - Zeichen der Zeit
Der Tod der Bildung
Gesamter Artikel unter: http://www.diepresse.at/services/archiv/archiv_print.asp?id=266857
Als Ware hat Bildung nichts mehr mit Selbstbestimmung zu tun, nichts mit Urteilskraft, schon gar nichts mehr mit der Fähigkeit, verantwortlich zu werten und zu handeln. Sie wird zum Gegenteil dessen, was ihre Dignität ausmacht. Unsere Universitätsreform: eine Streitschrift. Von Marian Heitger
Kürzlich fand in Wien eine Veranstaltung statt mit dem Thema: "Die Zukunft der österreichischen Universitäten". Bei der Hauptdiskussion, die die Ergebnisse zusammenfassen sollte, kam vom obersten Beamten für die Universitäten die programmatisch gemeinte Aussage, Bildung sei ein Handelsgut. Vermutlich gab er damit auch die Meinung seiner Ressortchefin wieder, und der Bildungssprecher der Industriellenvereinigung bestätigte auf nachhaltiges Fragen diese Auffassung. So bedenklich ein solcher Satz für eine bildungspolitische Entwicklung auch sein mag, so läßt er doch an Bestimmtheit nichts zu wünschen übrig und macht schließlich auch deutlich, was die Absicht der heftig umstrittenen Reformvorschläge definiert: Bildung als ein Handelsgut. Damit wird Bildung zur Ware, die man kaufen und verkaufen kann. Der ökonomische Gewinn wird zum Maßstab für das Gelingen der Reformen.
(...)
Die neue Vorstellung von der Universität als einem Dienstleistungsbetrieb für die Bedürfnisse der Gesellschaft ist eine radikale Absage an die Idee der Universität, wie sie Humboldt vor 200 Jahren in der Weiterentwicklung ihrer ursprünglichen Idee konzipiert hatte.
(...)
Der Zugang aller zur Bildung als Forderung demokratischer Gerechtigkeit kann doch nicht dadurch erfüllt werden, daß man sie abschafft, indem sie zur Handelsware erklärt wird. Als Ware hat Bildung nichts mehr mit Selbstbestimmung zu tun, nichts mit Urteilskraft, schon gar nichts mehr mit der Fähigkeit, verantwortlich zu werten und zu handeln. Sie wird zum Gegenteil dessen, was ihre Dignität ausmacht. Sie instrumentalisiert den Menschen, statt ihn in seiner Selbständigkeit zu fördern, ihm zu helfen, eine unabhängige Persönlichkeit zu werden.
--
Diese Liste wird vom Computer Communications Club (http://www.ccc.at) betrieben. Um sich aus der Liste austragen zu lassen, senden Sie ein e-mail an majordomo@ccc.at mit dem Befehl "unsubscribe lehrerforum" im Nachrichtentext.