Timo Davogg schrieb:
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> Die Presse 12 01 02
> http://www.diepresse.at/detail/default.asp?channel=sp&ressort=S102&id=
> 268086
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>(Wegen der Längen-Beschränkung im LF getraue ich mich den recht
>umfangreichen Artikel nicht zu zitieren. - E.W.)


Daß Lehrer internet-mäßig aufrüsten müssen, um das Schummeln per Mausklick zu unterbinden
- das kann auch nicht das Ei des Kolumbus sein.
Vielmehr scheint mir eine Quelle des Problems darin zu liegen, daß eine Hypertrophie bei Referaten und Matura-Spezialgebieten (an AHS) einreißt - und wohl auch an der Uni bei Seminararbeiten und Hausarbeiten.
Bei Fachbereichsarbeiten (gibt's die auch an BHS?) sollte das Problem des Schummelns geringer sein - jedenfalls dann, wenn der Lehrer seine - immerhin remunerierte - Aufgabe ernst nimmt, den Schüler bei der Erstellung zu begleiten.

Als AHS-Lehrer beobachte ich insbesondere bei Matura-Spezialgebieten zwei Erscheinungen:

1. Der Lehrer kümmert sich oft wenig darum, aus was für Quellen der Schüler schöpft - und ob überhaupt welche da sind. Hauptsache, das Thema klingt gut - ein wenig von dem Talmi-Glanz wird ja dann auch auf den Lehrer abfallen. Konkret heißt das, daß der Schüler im ersten Semester der 8. Klasse mit einem Thema kommt, welches vom Lehrer rasch akzeptiert wird - Literatur dazu zu finden, ist schließlich das Problem des Schülers, der ja unter Beweis stellen soll, daß er "wissenschaftlich arbeiten" kann - immerhin sollen wir unsere Schutzbefohlenen zur Hochschulreife führen. Wenn der Schüler dann nach dem Streß der Organisation des Maturaballes im Dezember daraufkommt, daß er nirgendwo brauchbare Unterlagen findet, obwohl das Thema doch so schön klang (die lokalen Buchhändler in der Landeshauptstadt St. Pölten sind für Literatur-Recherche zu vergessen, eine Fahrt nach Wien bringt meistens auch nichts ein, und sollte einmal wo ein Buch aus einem Katalog oder in einer öffentlichen Bibliothek bestellt werden, dann dauert es garantiert Monate, bis es kommt), und daß die Zeit relativ flott vergeht, dann stürzt er sich aufs vielgepriesene Internet - und wird zum Müllmann, weil er so wenig von dem, was er findet, brauchen kann.

2. Wenn das Werk dann doch irgendeinmal vollendet ist (im Umfang von zwanzig Maschinschreibseiten aufwärts), dann trägt es der Schüler in kindlichem Gottvertrauen zum Herrn Lehrer, auf daß es dieser verbessere - und das erst recht in einer Fremdsprache, wo es noch zusätzlich um sprachliche Korrektheit geht. Viele Lehrer fordern auch expressis verbis Einsicht in das Elaborat, weil sie sich ja schließlich selber irgendwie auf die mündliche Maturaprüfung vorbereiten müssen - wie kann man denn einen Schüler etwas prüfen, von dem man selber keine Ahnung hat? (Meine SchülerInnen sind immer ganz baff, wenn ich es dezidiert ablehne, Einsicht zu nehmen.)

Der Wurm liegt meiner Meinung nach in der gängigen Praxis, welche an die SchülerInnen unsinnige und unpädagogische Anforderungen stellt - und sie daher zum Schummeln via Internet-Bausteine verführt. Gefordert ist daher nicht ein Lehrer, der den Schüler am Computer schlägt, sondern ein Lehrer, der die Welt aus der Sicht des Schülers zu betrachten versteht - pädagogische Empathie, sozusagen.

Sollte es MitleserInnen aus der AHS geben, die mein Unbehagen an der Praxis der Spezialgebiete an AHS teilen, so wäre das wohl ein Diskussion im LF wert - noch dazu, wo das m. E. zugrundeliegende Problem der pädagogischen Empathie sowieso alle betrifft.

Erich Wallner
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