"Mag. Ronald Eidenberger" schrieb:
>
> Erich Wallner:
> > Daß Lehrer internet-mäßig aufrüsten müssen, um das Schummeln per
> > Mausklick
> zu unterbinden
> > - das kann auch nicht das Ei des Kolumbus sein.
> > Vielmehr scheint mir eine Quelle des Problems darin zu liegen, daß
> > eine
> Hypertrophie bei
> > Referaten und Matura-Spezialgebieten (an AHS) einreißt - ...
>
> (R. Eidenberger): Stellt sich für mich die Frage: Warum reißt eine
> Hypertrophie ein?


E.W.: Eine (unbeabsichtigte) Antwort darauf gibt Koll. Meidlhumer in seinem heutigen Beitrag von 17:07 "aks-presseaussendung", wenn er schreibt: "Gibt es wirklich so wahnsinnige Lehrer, die ohne Bezahlung nachsitzende Schüler beaufsichtigen?"

Offenbar gibt es die wirklich, denn sonst wären die einschlägigen "Verhaltensvereinbarungen" ja von vornherein für den Hugo bzw. für die Liesl. Daß sich eine solche nur den hehren Zielen verpflichtete Pädagogik auch andernorts Bahn bricht, verwundert da nicht wirklich. Bei den Spezialgebieten gibt es mancherorts die Fortsetzung einer pädagogische Profilierungsneurose, deren Ursprung ich in meinem Fach Englisch bereits in der Themenstellung der schriftlichen Reifeprüfung erblicke: Was da einem durchschnittlichen Schüler an Textgattungen zugemutet wird, ist abenteuerlich. Ich zitiere aus der Handreichung der NÖ Englisch-AG: "z.B. letter, talk show, interview, inner monologue, diary entry, character portrait, (police) report, speech, statement(s), newspaper article, short story". (Man beachte das einleitende "z.B."!) Der klassische Essay wird hier noch gar nicht einmal erwähnt. Und dann gibt es selbstverständlich auch noch die Textinterpretation als separate und obligatorische Aufgabenform ...

Nun sind aber die NÖ Anglisten kein Sadistenverein, unsere AG hat bloß die Maturavorschriften für die KollegInnenschaft interpretiert und veranschaulicht. Womit wir uns dem Kern des Pudels nähern: Wie kommen solche Maturavorschriften zustande?

Im gegenständlichen Fall beruhen sie meines Wissens nach auf den Ergebnissen von Schulversuchen. Die wurden aber unter ganz anderen Rahmenbedingungen durchgeführt: Vor allem kleine Gruppen und Schulversuchs-Lehrer mit reduzierter Lehrverpflichtung (ja - das gab es auch einmal!) Dazu nehme man noch den Typ Lehrer, der Freude daran findet, an einem Schulversuch tätig zu werden - und heraus kommt eine behördlich abgesegnete Hochstapelei.

Es beruht also schon die stinknormale schriftliche AHS-Reifeprüfung in Englisch auf Lug und Trug: Damit was Gescheites herauskommt, muß der Lehrer entweder zwei oder drei Textsorten intensiv üben (und dann als Aufgabe stellen) und den riesigen Rest schlicht vergessen, womit er den Lehrplan nur teilweise erfüllt. Oder aber er gibt eine Textsorte, die er irgendwann einmal im Unterricht gestreift hat, und akzeptiert dann inhaltlich und stilistisch alles - Hauptsache, es sind keine Grammatik- und Vokabelfehler drin. Von textsorten-gerecht keine Spur. (Meine Weisheiten beziehe ich aus langjähriger Tätigkeit als - in meinem Fall nicht anonymer sondern deklarierter - Zweitleser, womit ich meine voyeuristischen Neigungen befriedige.)
Bei den Romanisten ist es mit der Hochstapelei bei der schriftlichen Reifeprüfung noch schlimmer. Die SchülerInnen durchblicken das auch, weshalb so wenige in Französisch schriftlich antreten. Die reine Statistik der KandidatInnenzahlen Englisch-Französisch bei der schriftlichen AHS-Reifeprüfung (natürlich nicht global, sondern nur dort, wo beide Sprachen nebeneinander unterrichtet werden und daher a priori auch die gleiche Wahrscheinlichkeit der Wahl besteht) beweist schon, daß da ein gewaltiger Hund begraben ist.

Daß dann manche KollegInnen der Versuchung zur Angeberei bei einem Spezialgebiet nicht widerstehen können, ist irgendwie verständlich - sonst würde ja das vorgeblich Höherwertige direkt abfallen.

Obiges ist nur ein Teil der Antwort auf die Frage, wo die Hypertrophie herkommt. Damit die Sache noch lesbar bleibt, bremse ich mich jetzt ein.

MfG Erich Wallner
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