SZ vom 21 01 0

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„Der Druck kann krank machen“

Eine Ärztin erklärt, warum manche Lehrer ihren Dienst nicht mehr schaffen


Wenn Lehrer wegen Gesundheitsproblemen den Schuldienst quittieren, müssen sie zuvor von Amtsärzten untersucht werden. Eine Neurologin des Münchner Gesundheitsamts, die namentlich nicht genannt werden will, erzählt von ihren Erfahrungen mit ausgebrannten Lehrern.

SZ: Worüber klagen die Lehrer, wenn sie zu Ihnen kommen?

Ein typischer Fall ist der fünfzigjährige Lehrer, dem ein Schulwechsel zugemutet wird. Er soll vielleicht in einen Stadtteil wechseln, in dem die Schüler wesentlich schwieriger sind. Doch eine solche Umstellung schafft in dem Alter nicht mehr jeder, und manche fallen dann in eine Depression.

Wissen solche Lehrer genau, was ihnen fehlt?

Nicht immer. Oft sind sie zuerst bei anderen Amtsärzten wegen körperlicher Beschwerden – das Kreuz und der Magen schmerzen ständig, oder ein Lehrer fängt sich dauernd Erkältungen ein. Dann ist es möglich, dass meine Kollegen keine organischen Probleme feststellen. Also werden die Lehrer untersucht, ob sie psychische Probleme haben. Dabei stellen wir gelegentlich Depressionen fest, von denen die Betroffenen nichts wussten.

Welche anderen Probleme haben Lehrer, die zu Ihnen kommen?

Ein anderer, häufiger Fall hat eine schwere organische Krankheit hinter sich – Krebs etwa oder einen Herzinfarkt. Nach einiger Zeit sind diese Lehrkräfte zwar körperlich wieder gesund, können aber trotzdem nicht mehr arbeiten, weil sie ebenfalls depressiv werden. Eine weiter große Gruppe sind die Lehrer, die mehrere Hörstürze hatten. Sie haben oft einen sogenannten Tinnitus, ein Dauergeräusch im Ohr, das sich subjektiv so laut anhören kann wie eine Kreissäge. Sie werden lärmempfindlich und verstehen oft die einzelnen Worte im Klassenzimmer nicht mehr. Auch diese Lehrer kommen in den Schulen nicht mehr zurecht. Der vierte typische Fall ist schließlich der eines Lehrers, der von Anfang an nicht geeignet war für den Beruf, weil er den Druck nicht aushält. Die ersten Jahre nach dem Referendariat geht es vielleicht noch, aber mit 40 oder 45 Jahren kommt es bei manchen zum Zusammenbruch, und sie schaffen den Unterricht nicht mehr.

Doch die meisten Lehrer, die sich ausgebrannt fühlen, dürften älter sein.

Stimmt. Bei Frauen sind die meisten 45 Jahre und älter. Bei Männern beginnt es häufig jenseits der 50.

Den Lehrern wird oft vorgehalten, sie hätten einen einfachen Job: Unterricht bis 13 Uhr und ewig lange Ferien.

Für unsere Arbeit sind solche Meinungen unerheblich. Die Lehrer, die zu uns kommen, stecken oft in Situationen, mit denen sie nicht zurecht kommen: Sie mussten vielleicht die Schule wechseln oder haben Schwierigkeiten, sich ständig auf neue Schüler einzustellen. Sie sollen es den Eltern recht machen, deren Anspruchshaltung enorm gewachsen ist. Und schließlich haben sie teilweise auch Direktoren, die allen Druck, den sie von Eltern bekommen, an die Lehrer weitergeben. Das sind Bedingungen, die krank machen können.
Interview: Felix Berth



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