Süddeutsche Zeitung 21 01 02
Ein Beruf, der an der Seele frisst
Pädagogen stehen unter Adrenalin wie Rennfahrer – deshalb sind viele schon frühzeitig dienstunfähig und fallen in Depressionen
Von Anja Burkel
Als Marita Frank an diesem Schultag zurück in die Klasse kommt, bläst ihr Wind entgegen und Gebrüll. Das Fenster ist weit geöffnet, davor tobt ein Schülerpulk. Einer der Gymnasiasten lehnt über der Brüstung und streckt den Zeigestock senkrecht aus dem Fenster. Ganz weit draußen, am Ende, sieht Marita Frank (Name geändert) ihre Handtasche über dem Abgrund baumeln. „Sollen wir die fallen lassen, Frau Frank?“ brüllt jemand und alle lachen. Diesmal kommen der Lehrerin keine Tränen, wie sonst oft vor der Klasse. Wie versteinert steht sie mitten im Geschrei und hört sich selbst emotionslos ihre Tasche zurückfordern.
Die Szene ist weit weg und lange her. Marita Frank, 54 Jahre alt, sitzt mit angezogenen Füßen auf ihrem Sofa, in einem lautlosen Münchner Viertel. Parkett, Sprossenfenster, Kuscheldecken; ein Hort der Harmonie. 25 Jahre war lang war sie Lehrerin, bis sie eines Tages, nach den Sommerferien, einfach nicht mehr hinging. Ein Anruf beim Direktor – aus. Nie wieder dort hin, „in den Hexenkessel, wo es brodelt, schreit und rast“. Dabei prangert sie weder Schüler noch Eltern an. Gegen niemanden ist sie verbittert – außer gegen sich selbst: „Es war meine Schuld, mein Versagen, meine Unzulänglichkeit.“ Marita Frank sagt es so, wie andere „Meine Schuld, meine Schuld, meine große, große Schuld“ in der Kirche. Überhaupt kommt das Wort Schuld in ihrem Wortschatz gleich hinter „Versagen“. Bis heute besucht sie einmal pro Woche eine Psychotherapeutin. (...)
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