SZ vom 21 01 02

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Lass es sein!

Nicht jeder Junglehrer besteht vor der Klasse

Zum ersten mal allein vor der Klasse. Tausend Tricks der Didaktik im Kopf - und die Schüler machen doch, was sie wollen. Keiner passt auf, Gebrüll
überall: Die erste Unterrichtsstunde kann für einen jungen Lehramtsanwärter der Alptraum sein.

„Gerade in schwierigen Klassen“, sagt ein Seminarlehrer für Pädagogik und Psychologie an einem Münchner Gymnasium, „kann der erste selbständige Unterricht unglaublich ernüchternd sein.“ Im eigenen Seminar für Referendare hat er viele „junge, hoffnungsfrohe Universitäts-Absolventen“ gesehen, „erwartungsvoll, ideenreich, mit einer positiven Einstellung zum Lehrerberuf “. Dann der Praxisschock: Jede Stunde will neu vorbereitet sein, weil in der Schublade nicht, wie bei routinierteren Lehrern, eine fertiges Unterrichtskonzept vom letzten Jahr wartet. Und: Um der Klasse etwas beibringen zu können, muss der Lehrer zuerst ihre Aufmerksamkeit gewinnen, Disziplin halten – eine Übung, die manchem Anfänger schwer fällt und schnell zum Machtkampf werden kann.

„Es gibt Lehrerpersönlichkeiten und solche, die sich noch dazu entwickeln“, so der Seminarlehrer. „Aber es gibt auch Referendare, denen sage ich: Lass es sein, vielleicht passt ein anderer Beruf besser zu dir.“ Das Problem sei, „dass dieses Erlebnis viel zu spät in der Biografie der jungen Leute eintritt. “ Im Vergleich zu anderen Schularten ist die Ausbildung der Gymnasiallehrer sehr fach- und wenig praxisbezogen. Zwar sind Praktika vorgesehen – doch die sind kurz und selten. Wer nach einem langen Studium zum ersten mal allein vor einer Klasse steht, und sich unwohl fühlt, überlegt es sich zweimal, jetzt noch umzusatteln.

Der Münchner Seminarlehrer plädiert deshalb für längere Praxisphasen schon während des Studiums. „Mindestens ein halbes Jahr, in dem die Studenten selbständig unterrichten.“ Zu früh sollte ein solches Praktikum jedoch nicht stattfinden. Nach seiner Erfahrung behandeln Schüler einen 20 Jahre alten Studenten – als quasi Gleichaltrigen – oft besser als den selben, zehn Jahre älteren Menschen. Einen Vorteil hätten Referendare, die schon Jugendgruppen geleitet haben – zum Beispiel in einem Sportverein.

Doch auch nach einem missglückten Start kann sich das Verhältnis zu den Schülern noch bessern. Manchmal aber auch nicht: „Es gibt Lehrer, die ein ganzes Leben lang nicht mit der Klasse fertig werden. Und das bedeutet furchtbaren Stress ein Leben lang.“

Anja Burkel



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