Frankfurter Rundschau 26 01 02
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Bayern plant Leistungstests für Grundschüler
Unbenotete "Orientierungsarbeiten" in zweiter und dritter Klasse / Eltern und Lehrer dagegen
Von Iris Hilberth
Bayerns Kultusministerium plant die Einführung landesweit einheitlicher Leistungstest an der Grundschule. Staatssekretär Karl Freller hat diese Woche im Landtag das Konzept der "Orientierungsarbeiten" vorgestellt, die nach einer Pilotphase von 2003 an verpflichtend für alle zweiten und dritten Klassen jeweils am Schuljahresende festgeschrieben sein sollen. Die Opposition lehnt die Pläne entschieden ab. MÜNCHEN, 25. Januar. Das Kultusministerium will die Überprüfung der Grundschüler nicht als Kontrolle sehen. "Wir wollen sehen, ob ein Schüler am Ende eines Schuljahres das kann, was er können soll", betonte Freller. Denn was ein Kind in der Grundschule nicht lerne, sei später nicht wieder aufzuholen. Noch vor Pisa, nämlich bereits nach dem schlechten Abschneiden bei der Leistungsvergleichsstudie Timss, habe das Kultusministerium sich entschieden, selbst das Können der Grundschüler unter die Lupe zu nehmen. Deutsch und Mathematik sollen geprüft werden. So müssen Zweitklässler den Beweis antreten, ob sie im Zahlenraum bis 100 rechnen können und in der Lage sind, einfache Sätze zu lesen, zu erfassen und aufzuschreiben. Es würden nicht nur kognitive Leistungen erfasst, sondern auch die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Jüngsten. Dadurch verspricht sich das Ministerium bessere Hilfe und mehr Förderung für die Kinder und ein Feedback für die Lehrer. Noten soll es nicht geben. Eine Umfrage des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) hatte allerdings ergeben, dass 84 Prozent der Eltern und 78 Prozent der Lehrer diese Tests am Ende der dritten Klassen ablehnen. Noch größer ist der Widerstand in der zweiten Klasse: 90 Prozent der Eltern und 89 Prozent der Lehrer sind dagegen. Die Opposition sieht in den Orientierungsarbeiten ein "neues Instrument zur Verstärkung der Auslesefunktion" und verweist auf "zusätzlichen Druck", der dadurch auf die Kinder ausgeübt werde. Der bildungspolitische Sprecher der SPD, Eberhard Irlinger, gab zu bedenken: "Auch wenn hundert Mal gesagt wird, das wird nicht benotet. Da jetzt schon die Prüfungswochen Ende Juni vorgegeben sind, wird es schon ab April mit zusätzlichem Druck losgehen." Das sei ein Rückschritt in den Bemühungen um eine neue Lernkultur, gab SPD-Abgeordnete Christine Goertz zu bedenken. "Wenn ich teste, teste, teste, habe ich noch gar nichts erreicht", so deren Kollegin von den Grünen, Petra Münzel. Die Opposition sieht das Vorhaben allerdings auch als "Ohrfeige für die Lehrer". Man traue ihnen nicht zu, dass sie die Lernziele erreichten und würde deshalb zentralistisch prüfen. "Alles Vorurteile", meint Staatssekretär Freller.
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