Die PRESSE vom 29 01 02
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Welche Schule darf es denn sein? Psychologen bieten Tests an
Schulwahl. Kinderpsychologen erklären, worauf bei der Wahl der richtigen Schule zu achten ist.
VON HEDWIG SCHUSS
Die Qual der Wahl der richtigen Schule. | (c) apa
WIEN. Die Anmeldefristen für den erstmaligen Schuleintritt oder für einen Schulwechsel nahen wieder. Damit stehen Eltern mit ihren Sprößlingen unschlüssig vor einer Vielfalt von sich anbietenden Schultypen. Und oft, so sagen gleichlautend Schulpsychologen im Gespräch mit der "Presse", wissen sie über Entscheidungskriterien nicht Bescheid.
Erstes Kriterium, sind sich die Psychologen einig, ist der Wohnort. Also die Schule, die am nächsten ist, hat bereits einen großen Pluspunkt, denn Kinder brauchen Freunde, die in Reichweite sind. Sofern nicht eine Behinderung vorliegt, die eine spezielle Schule erfordert, um die optimale Betreuung zu gewährleisten, ist also "nahe" stets ein guter Tip.
Wenn es um den ersten Schuleintritt geht, haben Eltern oft Ängste, ihr Kind könnte nicht schulreif sein. Lehrer attestieren den Kindern Unruhe oder sogar Hyperaktivität. "Nicht alles, was unter dieser Etikette läuft, ist auch tatsächlich hyperaktiv", erklärt Belinda Mikosz, Kinderpsycholgin beim psychologischen Dienst des Amtes für Jugend und Familie in Wien. Viele seien einfach nur unruhiger als andere und schafften den Übergang vom Kindergarten zur Schule schlechter.
Wenn Eltern allerdings unsicher sind, sollten sie auf das Angebot zurückgreifen, mit einem Psychologen zu sprechen. Im Rahmen der Jugendwohlfahrt ist ein solches Gespräch auch gratis. Zum einen bieten sich hierfür als Ansprechpartner die Schulpsychologen des Wiener Stadtschulrates und die analogen Dienste in den Landesschulräten an. In Wien hilft zudem der psychologische Dienst der MA 11. "Besorgte Eltern gehen nach einer psychologischen Beratung häufig mit einem Lächeln und einer gewissen Erleichterung weg", so Mikosz über die Beratungsgespräche.
Noten als Anhaltspunkt
Der Wechsel von der Volksschule in die Hauptschule oder AHS ist insofern einfacher, als die Noten eine gute Orientierungshilfe abgeben. Wenn es Wahrnehmungsunterschiede geben sollte oder Eltern durch die Einschätzung der Lehrer ihre Kinder unterschätzt sehen (Überschätzungen werden von Eltern kaum reklamiert ), dann kann man sich an die Schulpsychologen wenden, erklärt die Psychologin Jolanthe Stanzl. "Wir machen dann einen Intelligenztest, schauen uns schulische Leistungsproben an und machen psychische Verfassungstests mit den Kindern." Das sind Tests, bei denen Sätze ergänzt werden müssen, die Aufschluß geben sollen, wie die Einstellung zur Schule ist. In 99 Prozent der Fälle kann man sich aber auf die Noten verlassen, die von den Volksschullehrern vergeben werden, so Stanzl.
Besonders wichtig bei der Schulwahl ist auch, daß Eltern hinter den Ideen stehen, die von der Schule vermittelt werden. So sollten Kinder, die in eine Privatschule (etwa Steinerschule) gehen, die nichts von Fernsehen hält, zu Hause nicht mit einem ständigen TV-Konsum der Eltern konfrontiert sein. Derartige unterschiedliche Anstöße könnten zu Konflikten führen.
Ein kleines Mädchen beispielsweise habe im Internat einer katholischen Privatschule in großer Sorge um das Seelenheil der Mutter gebetet, weil diese nie am Sonntag in die Kirche gehe. Solche Dinge werden häufig nicht berücksichtigt, verwirren die Kinder aber.
Mit 14 Jahren steht dann die Entscheidung nach Berufswünschen an. Das sei besonders früh, so die Meinung der Psychologen aus Wien, vor allem wenn man bedenkt, daß viele Maturanten bezüglich ihres späteren Berufswunsches ahnungslos sind. Hier empfiehlt sich ein Interessenstest, der in den meisten Schulen abgehalten wird. Wenn nicht, kann er beim Schulpsychologen gemacht werden.
Keine Überforderungen
Oft wird über Kinder gesagt, sie seien faul, sie könnten, wenn sie nur wollten - und dabei wird von Erwachsenen übersehen, daß sich manche wirklich schwer tun beim Lernen. Daß ihr Kind kein hochbegabtes ist, gestehen sich Eltern nur ungern ein. Aber es sind nicht immer die in der Schule Begabten, die im Leben am meisten erreichen, stellt Mikosz ein Klischee richtig. "Auch hochbegabte Kinder können von der Schule fliegen, weil sie frech sind." Anstatt sich über schulische Mißerfolge zu kränken und den Kindern durch Überforderung Erfolgserlebnisse vorzuenthalten, würden sich Psychologen wünschen, daß mehr auf die individuellen Fähigkeiten der Kinder eingegangen werde. Auch wenn das für sie weniger Arbeit bedeutet.
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