PRESSE 29 01 02

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Brüssel für rigorose Uni-Reform: Master-Studium in drei Ländern

Viviane Reding, EU-Kommissarin für Bildung und Kultur, fordert bei ihrem Wien-Besuch eine Anpassung der europäischen Hochschulen an Elite-Standards.

VON ERICH WITZMANN

Viviane Reding, EU-Kommissarin für Bildung und Kultur. | (c) Seidler

WIEN (ewi). Die europäischen Universitäten müßten analog zu erfolgreichen Wirtschaftsunternehmen Joint Ventures eingehen. "Universitäten müssen Kooperationen suchen. Im Rahmen eines europäischen Master-Studiums sollte man an einer Wiener Universität beginnen, in Paris fortsetzen und in Bologna den Abschluß machen", sagt EU-Bildungskommissarin Viviane Reding.

Die ranghöchste EU-Bildungspolitikerin, die Montag zu einem Meinungsaustausch nach Wien gekommen ist, sieht im Gespräch mit der "Presse" Österreichs Uni-Reformen auf dem richtigen Weg. Neue Uni-Organisationen "kann man nicht mehr isoliert auf ein Land betrachten". Brüssel forciere den "Europäischen Master", also ein Studium, das man in mehreren Ländern konsumieren müsse. "Die Zukunft liegt bei gemeinsamen Studiengängen und einem gemeinsamen Master." Jene, die sich dem Studieren in mehreren Staaten verschreiben, würden zur "Crème de la Crème" zählen.

Europa könnte schon jetzt mit US-Spitzenhochschulen mithalten, aber der Kampf um die akademische Qualität müsse ständig geführt werden. "Ohne Qualitätsanpassungen wird es Europa im Weltvergleich nicht weit bringen", ist Reding überzeugt. Und: "Europa braucht Spezialisten, um seine Wirtschaft konkurrenzfähig zu halten." (...)

"Leseschwäche ist Alarmzeichen"

In anderen Ländern seien bei tiefgreifenden Änderungen, wie sie derzeit zur österreichischen Uni-Struktur in die Wege geleitet werden, Unruhen auf der Tagesordnung. In Österreich, so meint Viviane Reding, EU-Kommissarin für Bildung und Kultur, sei "ein großer Konsens in der Bevölkerung festzustellen". (...)

Allerdings folgt gleich die Mahnung an alle europäischen Regierungen, inklusive Österreich: Die Bildungsbudgets müssen steigen. "Wer nicht in die Bildung investiert, verpaßt die Zukunft", so die Kommissarin. Der EU-Gipfel im März in Barcelona werde sich dieser finanziellen Anstrengung widmen.


Pisa-Studie ernst nehmen

Auf der einen Seite Spitzenleistungen, auf der anderen die Ausbildung zu "hervorragenden Handwerkern": Reding räumt beiden Polen der Bildungslandschaft Priorität ein. Die Ergebnisse der im Dezember veröffentlichen Pisa-Studie der OECD relativiert die Bildungskommissarin, nimmt die Qualitätsreihung aber gleichzeitig ernst. Einerseits sei die Studie, die die Schulleistungen (in erster Linie zum Lesen und Rechnen) einem internationalen Vergleichstest unterzogen hat, zu sehr auf das angloamerikanische System abgestellt.

Andererseits "ist es aber Tatsache, ist es ein seriöses Problem, daß es in Europa einen großen Anteil an Personen mit Leseschwächen gibt". Sieht man von einer hervorragenden Stellung des finnischen Schulsystems ab, dann rangieren im OECD-Ranking Kanada, Neuseeland, Australien, Japan und Korea an der Spitze.

Der sekundäre Analphabetismus, der bei Erwachsenen festzustellen ist und der auf deren ungenügende Schulausbildung zurückzuführen ist, sei "selbstverständlich ein Alarmzeichen". Viviane Reding: "Ich diskutiere nicht über den 15. oder 18. Platz, sondern warum ein Land in dieser Studie nicht die Nummer eins ist." Ihr sei klar, "daß wir diese Defizite in den Naturwissenschaften haben". Deswegen würden jetzt Spezialisten in Brüssel europäische Programme ausarbeiten, in denen schon im Schulalter die "Lust auf die Wissenschaften" vermittelt werden. (...)

Die EU-Kommissarin kommt wieder auf ihren Appell zur Erhöhung der Bildungsbudgets zurück: "Das Investieren in die Bildung ist für jeden Staat eine Kosten-Nutzen-Rechnung." Einerseits würden die späteren Wirtschaftsexperten herangebildet, andererseits sei dies auch für das soziale Zusammenleben von eminenter Bedeutung.




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