Lieber Kollege Wallner

Ich sehe in der Thematisierung der Benes Dekrete eher eine Aktion, um die berechtigten Forderungen der Zwangsarbeiter im NS-Regime abzuwehren oder zu paralysieren, um aus der Rolle des Täters herauszukommen und in die Rolle des Opfers schlüpfen zu können.

Wenn es um eine redliche Argumentation geht, dann schwingt nach meinem Rechtsempfinden schon stark die Überlegung mit, ob diejenigen entschädigt werden, denen Unrecht angetan worden ist, oder ob die Forderungen von selbsternannten und fragwürdigen Erben gestellt werden.

Weiters denke ich, dass diese Fragen nicht durch nationales Recht zu regeln sind, sondern überall dort, wo auch nur der Verdacht von "Sieger-Justiz" aufkommen kann, dass dort das internationale Recht gefragt und eingefordert werden soll. Internationales Recht müsste dann aber auch festlegen, nach wie viel Jahren eventuell aus Unrecht Recht werden kann. Denn alle europäischen Besitzstände gehen letztendlich auf irgendwelche Kriege und die Leute zurück, die aus den Ergebnissen ihren persönlichen Nutzen gezogen haben. Soll der Erwerb von Eigentum "im guten Glauben" ausreichen..? Oder wie weit ist denn Ahnenforschung zu betreiben?

Überdies sollten wir gerade jetzt auch thematisieren, inwieweit diese Regierung zwecks Budgetkonsolidierung Österreich ausverkauft, die Wälder (Bundes- forste), die Ressourcen für das Trinkwasser. Ist dieser Ausverkauf denn wirklich rechtens, oder soll es nicht auch unveräußerliches Gemeineigentum geben? - Das möchte ich alles in eine wirklich redliche und nicht populistische Argumentation mit einbeziehen ...

mkG
Günter Wittek


----- Original Message -----
From: Erich Wallner
To: Lehrerforum
Sent: Saturday, February 02, 2002 8:12 AM
Subject: LF: Argumentationshilfe

Die Vertreibung der Sudetendeutschen und ihre Rechtfertigung durch die Benes-Dekrete wird von vielen Menschen als historisches Unrecht angesehen.

Meine Frage: Müßte man als redlich argumentierender Mensch, der für die Aufhebung der Benes-Dekrete eintritt, nicht auch die Rücknahme der HabsburgerInnen-Gesetze 1919 fordern (Restitution von Schönbrunn und all der anderen enteigneten Besitzungen)?

Waren nicht die HabsburgerInnen-Gesetze genauso Sieger-Justiz (die Republik triumphiert über die Monarchie) wie die Benes-Dekrete?

Er ehrt jede/n ÖsterreicherIn, wenn er/sie sich Gedanken macht über Unrecht, welches von AusländerInnen an AusländerInnen verübt wurde, aber sollte man sich nicht auch Gedanken machen über Unrecht, welches InländerInnen zugefügt wurde? (Natürlich bin ich mir auch der Arisierungen bewußt, aber die HabsburgerInnen scheinen mir argumentativ interessanter zu sein, weil das Unrecht der Arisierungen weitestgehend außer Zweifel steht.)

Neugierig auf Kommentare Erich Wallner



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